9. Juni Politiker werben in der Wuppertaler Börse bei jungen Leuten für die Europawahl
Wuppertal · Die Jugendabteilung der Europaunion will Erst- und Jungwähler anregen, ihre Stimme abzugeben.
Die Straßen und Plätze füllen sich mit Wahlplakaten, die Europawahl naht. Anders als bei der Personalisierung dort mit Kandidaten-Konterfeis verlegte sich ein Abend in der Börse auf ein grundsätzliches Anliegen: Überhaupt zu wählen – speziell durch junge Leute.
220 332 704 Europäer hätten sich an der vorigen Europawahl im Jahr 2019 nicht beteiligt, hatte die Jugendabteilung der „Europaunion“ festgestellt, die eingeladen hatte. Die Organisation veranstaltet dieses Jahr vielerorts im Land Termine, die Erst- und Jungwähler anregen sollen, am 9. Juni ihre Stimme abzugeben. Konzept (wohl nicht nur) beim Kommunikationszentrum an der Wolkenburg: Vertreter der großen Parteien äußern sich auf einem moderierten Podium zu vorgegebenen Themen. Im zweiten Teil standen Publikumsfragen auf dem Programm – und nach diesem „offiziellen Teil“ lud man zu Tanz und Party ein.
Der allgemeine Impuls, sein Recht aufs Kreuzchen wahrzunehmen, wurde dadurch konkret, dass auf der Bühne Vertreter von fünf Parteien saßen: Dave Merkel (SPD), Pino Marinotti (FDP), Liliane Pollmann (Bündnis 90/Die Grünen), Alexej Hundt (CDU) und Hannes Draeger (Die Linke). Den Abend prägte erwartbar die Einigkeit, man möge sich an der Wahl beteiligen, und auch zum Konzept Europa gab es einiges an Übereinstimmung. Daneben spiegelte die Runde die typischen Tendenzen, wie sie von den einzelnen Parteien bekannt sind.
An die sechzig junge Leute verfolgten im unteren Saal des Hauses die Fragen und Antworten. Befreundete Kleingruppen, Paare und Einzelpersonen waren offenbar darunter. Kaum verwunderlich, dass sie konzentriert zuhörten, vereinzelt auch Notizen machten: Wer heute gekommen war, mochte ja kaum zu jenen zählen, die ihr Wahlrecht nicht interessierten. Motivation zeigten gleichfalls die Akteure eines Kurzfilms vorab, bei dem Wuppertals Medienprojekt Menschen im Schüleralter befragt und ihre Wünsche an Europa neu montiert hatte. Einige lauteten: „Den ‚Gender Pay Gap‘ bekämpfen“, also die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen, oder: „Dafür sorgen, dass der Krieg zu Ende geht.“ Einer argumentierte pro Wahl gezielt damit, dass eine hohe Beteiligung „die Rechten“ schwächen würde.
Klima oder Einwanderung zählen zu den Großthemen, zu denen das Moderationsduo Lennart Brandt und Zeyno Havin Bal die Vertreter befragten. Ersteres gab ein Beispiel für besagte Partei-Tendenzen: FDP-Mann Marinotti setzte auf Emissionshandel. Der Beitrag Draegers entsprach dann der Skepsis seiner Partei gegenüber dem Prinzip vom freien Markt: „Es gibt Fälle, wo sich Politik mit den Konzernen anlegen muss.“
Was die Grenzpolitik betraf, so kritisierte Grünen-Frau Pollmann Rechtsverstöße gegen Migranten rund ums Mittelmeer: „Kontrolle muss nicht heißen, dass wir Menschenrechte nicht beachten.“ Dave Merkel von der SPD ließ später leise persönliche Zweifel an den von seiner Partei mit betriebenen Verschärfungen beim Asyl erkennen, auch wenn er sie „vertretbar“ fand.
Klar war die Einigkeit auf dem Podium gegen Rechts-Tendenzen; ein eigener Themenabschnitt war diesem Aspekt gewidmet. Alexej Hundt von der CDU empfahl als Rezept eine „effektive Politik, die viele Bürger mitnimmt und nicht den Extremen in die Hände spielt“ – samt profilierten Ansagen: Dass dem Land ein „Dexit“, also ein von Rechts teils erwogener deutscher EU-Austritt nützen würde, sei „Schwachsinn“. Der junge Cronenberger ist in seinem Stadtteil bereits Vorsitzender der Partei und zeigte heute nebenher Talent zum sachlichen, doch pointierten Reden.
Eigens auf die Zielgruppe der Veranstaltung bezogen war etwa der Aspekt Jugendarbeitslosigkeit. Hier nahm Grünen-Vertreterin Pollmann die Uni-Abschlüsse in den Blick, bei deren europäischer Vereinheitlichung es hapere: „Absurderweise sind bei Bachelor und Master oft weiter Anerkennungsverfahren nötig.“
Die Moderation arbeitete
den Fragenkatalog ab
Austausch sah das Programm kaum vor: Die Moderation arbeitete ihren Fragenkatalog ab, nur vereinzelt erlaubte sie Repliken. Dass in der Runde manch Konfliktstoff steckte, deutete sich schon gegen Anfang an, als es um gemeinsames europäisches Handeln ging. Marinotti sprach von Europa als „größtem Friedensprojekt“, für Pollmann ließ sich „die Klimakrise nicht alleine lösen“, Merkel stimmte zu, das müsse man „gemeinsam angehen“.
Draeger widersprach und meinte den Friedensaspekt: „Zurzeit geht das genau in die andere Richtung.“ Hundt mochte das nicht stehen lassen: „Ich habe die Verknüpfung nicht verstanden.“ Nur ausnahmsweise gestattete Co-Moderator Brandt hier Draeger die Erwiderung: „Was tragen Waffenlieferungen zum Frieden bei?“ Kaum Zweifel: Hätte man sich zu einem offenen Gesprächsformat versammelt, wäre es zu Debatten gekommen. Heute aber ging es mit gutem Grund ums Werben für die Wahl, bei der für Europas Politik einige Weichen gestellt werden dürften. Dass die Teilnahme wichtig sei, war Konsens und ja auch Anlass des Abends gewesen.