Probe für den Leidensweg Christi

Die Darsteller der italienischen Gemeinde üben vor St. Johann Baptist die Kreuzigung für die Karfreitags-Prozession.

Bei der Probe tragen die Darsteller noch Alltagskleidung. Foto: Anna Schwartz

Foto: : Anna Schwartz

Wuppertal. Rund fünfzig Darsteller und Helfer, alle Mitglieder der italienischen Gemeinde, bilden einen Kreis um drei Holzkreuze. In der Mitte hängt Jesus-Darsteller Calogero Gagliardi. Genauer gesagt steht er auf einem schmalen Vorsprung am unteren Ende des Kreuzes. Auf der Höhe des Querbalkens stecken seine Finger links und rechts in Schlaufen aus Metall. Von weiter weg sieht es aber so aus, als hätte ihn tatsächlich jemand ans Kreuz geschlagen. Vor der Kirche St. Johann Baptist ist die Generalprobe für die Karfreitagsprozession in vollem Gange.

Während Gagliardi auf seiner Position ausharren muss, ist Regisseur Salvatore Giancani umso reger. Er ordnet die Reihe der mit Lanzen bewaffneten Männer, die als römische Legionäre Jesus zur Kreuzigung führen. Zeigt allen, wo sie gehen und stehen müssen. Er lässt sich jedes Requisit zeigen, das für die Szene wichtig ist. Der Schwamm, der dem sterbenden Jesus gereicht wird. Die Holzwürfel, mit denen die Soldaten um die Kleidung des Gekreuzigten spielen.

„Das ist hier vor allem eine technische Probe“, sagt Giancani in einem ruhigen Moment. „Wir schauen, ob alle Handgriffe sitzen und die Mikrophonanlage funktioniert.“ Die Proben, bei denen es um ausdrucksstarkes Spiel ging, waren vorher schon.

Giancani ist Perfektionist. Anders ließe sich die Karfreitagsprozession — nach mehr als drei Jahrzehnten eine Wuppertaler Institution — auch nicht stemmen. Auch diesmal kann der Regisseur und seine Truppe mit tausenden Zuschauern rechnen. Jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen. Denn die Prozession, die am Deweerth’schen Garten beginnt und auf der Hardt endet, dauert erfahrungsgemäß gute zwei Stunden.

Calogero Gagliardi jedenfalls ist froh, dass er sein Kreuz nicht barfuß durch Elberfeld tragen muss. „Ich trage Sandalen. Beim wechselhaften Wuppertaler Wetter wäre anderes nicht zu empfehlen.“ Dass er und nicht wie im vergangenen Jahr sein Kollege Gerlando Galuzzo den Jesus spielt, entspricht einem festen Turnus. „Alle drei Jahre wechseln wir die Rolle. Bei den Vorgesprächen kam ich ins Gespräch und sagte dann: Gut, ich mach es nochmal.“

Mit Anfang 40 sind Gagliardi wie Giancani schon Veteranen. Seit zwanzig Jahren gehören sie zum festen Kern der Darsteller. „Zum aktuellen Team zählen 70 Leute“, berichtet Giancani. Im Alter von neun Jahren bis Mitte 70.

Es geht für sie nicht darum, Theater zu spielen, sagt Salvatore Giancani. „Wir sind alle bekennende Christen. Für uns ist die Karfreitagsprozession ein gelebtes Glaubensbekenntnis.“ Ein großer Freiluftgottesdienst, bei dem Darsteller wie Zuschauer gemeinsam beten und singen und der Bezug zur Gegenwart eine wichtige Rolle spielt.

Thema der 36. Karfreitagsprozession ist die Barmherzigkeit, eine der höchsten christlichen Tugenden. „So hat ja auch Papst Franziskus 2016 zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit erklärt.“

„Wir wollen damit auch die Unbeteiligten ansprechen“, sagt Gagliardi. „Alle, die zufällig da sind, sich vielleicht nur einen schönen Tag machen wollen.“ Die Karfreitagsprozession ist für die Mitglieder der italienischen Gemeinde aber auch eine Erinnerung an die alte Heimat. „In Italien, gerade im Süden, gehört es dazu, am Karfreitag auf die Straße zu gehen und die Geschichte rund um Jesus zu zeigen.“

Dass italienische Katholiken im protestantischen geprägten Wuppertal mit ihrer Prozession eine neue Tradition begründet haben, macht die Sache noch spannender.