Pure Sinnlichkeit und Lebensfreude

Kirchners „Vier Badende“ sind in der Sammlungspräsentation zu sehen.

Foto: Von der Heydt-Museum

Als Gründungsmitglied der Künstlergemeinschaft „Die Brücke“ kam dem Maler, Graphiker und Bildhauer Ernst Ludwig Kirchner eine Schlüsselrolle zu bei der Erfindung und Etablierung des Expressionismus. Geboren 1880 in Aschaffenburg gehörte Kirchner derselben Generation an wie seine Freunde Heckel, Schmidt-Rottluff, Pechstein und Klee, aber auch Picasso und Franz Marc. Nach einem Architekturstudium wandte er sich ganz der Malerei zu und suchte jenseits von Impressionismus, Pointillismus, Symbolismus und Jugendstil nach radikaleren künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten für ein freies Leben außerhalb bürgerlicher Konventionen.

Wuppertaler

Meisterwerke

In den Sommermonaten der Jahre 1909-1914 machten sich die „Brücke“-Künstler Kirchner, Heckel und Pechstein auf die Suche nach unberührter Natur an den Dippeldorfer Teichen in der Nähe von Moritzburg, um ungestört dem Aktstudium nachzugehen. „Als wir in Berlin beisammen waren“, schrieb Pechstein, „vereinbarte ich mit Heckel und Kirchner, dass wir zu dritt an den Seen um Moritzburg arbeiten wollten. Die Landschaft kennen wir (…), und wir wussten, dass dort die Möglichkeit bestand, unbehelligt Akt zu malen. So zogen wir Malersleute frühmorgens mit unseren Geräten schwer bepackt los, hinter uns die Modelle mit Taschen voller Fressalien und Getränken. Wir lebten in absoluter Harmonie, arbeiteten und badeten.“

In dem Bild „Vier Badende“, das zurzeit in unserer Sammlungspräsentation „Aufbruch in die Moderne“ zu sehen ist, tummeln sich vier nackte Frauen in Ufernähe, jede in einer anderen Bewegung schnappschussartig erfasst. Ihre Gesichter sind lediglich angedeutet, die Zeichnung der Körper ist auf wesentliche Linien und Farbsetzungen beschränkt. Nur ihre Umrisse sowie die der Landschaft auf der anderen Seite des Sees sind mit wenigen Linien betont. Der Rest ist sparsam, mit nur wenig Farbe in langen Pinselstrichen so flüchtig ausgeführt, dass weiße Stellen der Leinwand hervorblitzen und den skizzenhaft unbeschwerten Charakter des Bildes steigern.

Die Akte zeugen von purer Sinnlichkeit und Lebensfreude und zeigen den nackten Menschen als Teil der Natur. Kirchner nutzt das Blau des Wassers auch für die Umrisslinien der Figuren, und das Rot der Körper hat eine Entsprechung im Rot des Himmels. Das Bild setzt sich so gegen herkömmliche Schönheitsideale ab und betont die sexuelle Freizügigkeit und Selbstbestimmung in einer klassenlosen Gesellschaft am Vorabend des Ersten Weltkriegs.