Rechtsextremismus Rechte Straftaten nehmen zu

2017 gab es 188 rechtspolitisch motivierte Delikte — damit liegt Wuppertal NRW-weit auf dem dritten Platz. Experten sehen die Gründe im populistisch aufgeheizten Klima.

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Wuppertal belegt Platz drei bei den NRW-Städten mit den meisten rechten Straftaten. Das geht aus aktuellen Zahlen des Innenministeriums hervor, die die Grünen-Fraktion als Antwort auf eine Anfrage erhalten und veröffentlicht hat. Demnach gab es im vergangenen Jahr 188 rechtspolitisch motivierte Straftaten in Wuppertal. Nur Dortmund (250) und Köln (220) verzeichnen mehr Straftaten mit rechtem Hintergrund.

Die Zahlen für Wuppertal nahmen im Vergleich zu 2016 wieder zu, als es 168 rechte Straftaten in der Stadt gegeben hatte. Auch die Zahl der Körperverletzungen ist damit einhergehend wieder gestiegen — von neun auf 17. Der bisherige Rekord der vergangenen Jahre lag bei 276 dieser Straftaten im Jahr 2015 — inklusive 23 Körperverletzungen. Damit geht Wuppertal gegen den Trend. Denn sowohl in NRW insgesamt als auch in den meisten der 16 Städte mit den meisten rechten Straftaten sind die Zahlen zuletzt gesunken.

Die meisten Straftaten waren nach Polizeiangaben Propagandadelikte — mit einem Anteil von 57 Prozent. Das beinhaltet etwa Schmierereien und Aufkleber mit rechten Symbolen oder Aussagen — die entweder verboten sind oder so explizit, dass sie einen Straftatbestand wie etwa Volksverhetzung erfüllen.

Die Täter sind laut Polizei zum größten Teil „weder der organisierten rechten Szene zuzuordnen“ gewesen, noch habe es „zu ihnen Vorerkenntnisse aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität“ gegeben. Es waren also politisch unbeschriebene Blätter.

Wie die zu politisch motivierten Straftätern werden, darauf gibt es keine einfache Antwort. Ein Teil dessen ist sicher, dass sich seit der starken Migrationsbewegung 2015, dem Aufkommen von Pegida und dem Erstarken der AfD das gesellschaftliche Klima gewandelt hat.

Astrid Messerschmidt, Professorin an der Bergischen Uni für Erziehungswissenschaft mit dem Forschungsschwerpunkt Extremismus, sieht vor allem einen Nationalismus, der sich in der Gesellschaft breit gemacht habe, als Problem. Es gebe zunehmend wieder die Vorstellung einer „reinen Nation“, die sich durch den Rechtspopulismus verbreite. „Die Mitte hat solche Positionen zunehmend akzeptiert“, sagt sie. „Nicht die Mehrheit“, aber rund 30 Prozent der Menschen sympathisierten mit diesem Gedankengut. Mittlerweile seien die Menschen, die sich damit anfreunden können, sozial breit aufgestellt. „Die Szene besteht aus sehr unterschiedlichen Milieus“, sagt sie. Es sind nicht die sprichwörtlichen Abgehängten, die Globalisierungsverlierer. „Die Erklärung liegt nicht in sozialen Fragen“, sagt Messerschmidt. „Sie liegt in der Attraktivität des Rassismus.“ Die feindliche Einstellung gegenüber bestimmten Gruppen sei die Gemeinsamkeit dieser Menschen. In dieser Umgebung sinke auch die Hemmschwelle für Straftaten. Messerschmidt geht davon aus, dass die Verbrechen nicht nur von organisierten rechten Strukturen verübt worden sind. Die gab und gibt es aber in Wuppertal. Und dagegen wird gearbeitet.

Als Reaktion auf Übergriffe aus der rechten Szene wurde 2000 die Initiative für Demokratie und Toleranz gegründet. Sebastian Goecke leitet den Verein. Er sagt, die organisierte rechte Szene sei zumeist nach Dortmund abgewandert, auch wenn es hier noch solche Neonazis gebe. Auch er sieht deswegen die Taten im Zusammenhang mit der gesamtgesellschaftlichen Stimmung. „Wir merken das bei unseren Angeboten. In Diskussionen vertreten Teilnehmer viel eher rechte Positionen“. Angesichts einer abgeschirmten Debattenkultur im Netz, in der rechte Verschwörungstheorien unwidersprochen verbreitet würden, sieht er viel Arbeit auf sich zukommen.

Goecke möchte den hohen Zahlen in Wuppertal auch etwas Positives abgewinnen: Ohne die Zahlen schönreden zu wollen, sieht er in der Stadt auch eine sensible Anwohnerschaft, die schnell Anzeige erstatte. Das könnte ein Grund für die hohen Zahlen sein.

Marc Schulz, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Rat, der die Zahlen für Wuppertal als erster kommentiert hatte, hat dafür übrigens von Rechts viel Aufmerksamkeit bekommen. Er konterte das mit einer Foto-Aktion auf Facebook: Rote Karte für Gewalt und Rassismus. Nichtsdestotrotz macht er sich Sorgen. Dass im Rat mehrere Sitze durch Mitglieder einer rechten Partei besetzt seien, zeige, dass es eine Akzeptanz für teils rechtsextreme Positionen gebe. Er fordert mehr Geld für Programme gegen Rechts. „Würde das Geld ausreichen, gäbe es keinen Anstieg der Straftaten“, sagt er.