„Wenn etwas ist, sagen Sie Bescheid“ Beim Rundgang mit Wuppertals Bezirksbürgermeister zeigt sich, dass in Ronsdorf die kleinen Dinge zählen
Wuppertal · In Ronsdorf sind es oft die kleinen Dinge, die zählen, keine Prestigeprojekte. Kein Tanztheater, kein Einkaufszentrum, keine 15 Millionen Euro teure Hängebrücke für die Bundesgartenschau.
Die WZ hat mit Bezirksbürgermeister Harald Scheuermann-Giskes einen Rundgang durch den Stadtteil gemacht, um herauszufinden, warum der kleinstädtische Charakter zwischen Parkstraße und Talsperre das Viertel und dessen Bewohner prägt – und welche Herausforderungen die Südhöhen dennoch vor Probleme stellen.
Startpunkt ist der Bandwirkerplatz, der das Herz der Innenstadt bildet und als sozialer Treffpunkt dient. Ein Bouleplatz kommt bald hinzu, ein Wasserspender, dreimal die Woche ist Markt, „der aber ausbaufähig ist“, betont Harald Scheuermann-Giskes, „wir wünschen uns mehr Marktbeschicker“. Umliegend habe man einen kurzen Zugang zur Nahversorgung, die neben Discountern auch ausreichend Einzelhändler aufweise, beschreibt der Bezirksbürgermeister den Vorteil der Infrastruktur. Zudem sei man schnell im Grünen. „Viele Anwohner kennen sich, viele sind ehrenamtlich engagiert – und das macht das Zusammenleben in diesem Stadtteil so schön.“
Das beweist Harald Scheuermann-Giskes auch intuitiv. Auf dem Rundgang, der von der Marktstraße an St. Joseph vorbei über die Lüttringhauser Straße und den Ascheweg bis zur Staasstraße reicht, wird er alle fünf Meter gegrüßt. Der Busfahrer, der Obsthändler, Passanten im Ronsdorf-Carée mit seinem Lieblings-Eiscafé, der Hausmeister der Erich-Fried-Gesamtschule. Der Verkäuferin der Bäckerei winkt er durchs Schaufenster zu und man hat den Eindruck, dass er dabei keine Rolle spielt, sondern durch sein geerdetes, nahbares und durchaus lausbübisches Auftreten den Respekt erhält, den er auch „seinen“ Ronsdorfern entgegenbringt.
Der 70-Jährige ist schon ein bisschen stolz, dass seine Präsenz wahrgenommen wird. Dies liege nicht unbedingt an seiner Funktion als Bezirksbürgermeister, die er seit 2014 innehat, sondern vor allem daran, dass er in dem Stadtteil schon lange verwurzelt ist. Mehr als 30 Jahre unterrichtete er Chemie, Mathematik und Sport an der Gesamtschule an der Blutfinke und ist als Hockeytrainer aktiv. Allerdings räumt Scheuermann-Giskes ein, habe er das Glück, „nicht ständig eins auf den Deckel zu bekommen“ wie derzeit Elberfelds Bezirksbürgermeister Thomas Kring.
Die Leerstände würden sich in Grenzen halten, aber immer schmerzen. Besonders auffällig ist dies am Ronsdorfer Bioladen an der Staasstraße 35, der im Juli schloss, obwohl ein neuer Inhaber den Laden erst im November wiedereröffnet und noch im März neues Personal gesucht hatte. Nun sind die Fenster von innen zugeklebt, der Eingang ist dicht – und das gleich an der zentralen Bushaltestelle. Einige Meter weiter, an der Staasstraße 27, steht auch das frühere Ladenlokal eines Optikers seit mehr als zehn Jahren leer. „Darauf hat die Politik keinen Einfluss“, gesteht Scheuermann-Giskes. Die Lage selbst sei nicht das Problem, „aber wenn der Eigentümer eine gewisse Miete haben will und diese von potenziellen Händlern nicht angenommen wird, besteht der Bedarf weiter:“ Gleiches gilt für das Ladenlokal am Ascheweg, in dem bis Dezember eine Drogerie ansässig war.
So sehr die kleinen Dinge ihre Relevanz besitzen, manchmal ist auch Scheuermann-Giskes irritiert: Die Bezirksvertretung diskutierte kürzlich über den Leyerbach am Ascheweg. Der Bach, der in den Ronsdorfer Anlagen entspringt und früher unterirdisch verlief, wurde hier in Form einer mit Klinkersteinen ausgekleideten Rinne wieder an die Oberfläche geholt. Da die Rinne etwa 60 Zentimeter tief ist, ermöglichen drei Übergänge auf dem Bürgersteig die Überquerung. Die CDU-Fraktion fordert hierfür Geländer, da es durch die „Stolperfallen“ immer wieder Unfälle mit stürzenden Fußgängern gebe. Harald Scheuermann-Giskes hält den Prüfauftrag für übertrieben.
L419-Ausbau ist die größte Herausforderung
Viel wichtiger sei es, die dortigen Parkplätze mit mehr Grün auszustatten, was zwar zulasten einiger Parkflächen führe, aber ökologisch sinnvoll sei. Und bezüglich des Umstandes, dass man dort nur eine Stunde parken dürfe, wolle Scheuermann-Giskes beim Verkehrsressort nachhaken. Natürlich würden Projekte seitens der Verwaltung durch viel Bürokratie gedrosselt, „aber das kann man im guten Gespräch klären und vor allem in Terminen vor Ort und nicht vom Schreibtisch aus“.
Die beträchtlichste Herausforderung für den Stadtteil sieht der Bezirksbürgermeister zweifelsohne im geplanten Ausbau der L419/Parkstraße. Laut Straßen NRW reicht deren Struktur für die künftigen Verkehrsbelastungen nicht mehr aus; sie soll deshalb vierspurig erweitert und an die A1 angeschlossen werden. „Es hat hier niemand etwas gegen einen Ausbau der Straße, aber in der Größenordnung ist das Wahnsinn“, kritisiert er. Unter anderem müssten dafür mehrere Hektar Wald gerodet werden, „das passt nicht mehr in diese Zeit“. Wenn die Umsetzung der jetzigen Planung kommen sollte, „werde ich mich nicht auf der Straße festkleben. Aber wir werden mit dem angeblich grünen Verkehrsminister Oliver Krischer in Kontakt treten, um die Rahmenbedingungen zu verbessern, also Lärmschutz, Emissionsschutz und Maßnahmen zur Ableitung von Oberflächenwasser.“
Scheuermann-Giskes bekräftigt, dass der Stadtteil sich nicht überrollen lasse: „Wir machen unser Ding für Ronsdorf und wenn jemand der Meinung ist, dass das nicht richtig ist, interessiert uns das nur am Rand“, betont er. Immer wieder höre man aus dem Tal, dass die Südhöhen mehr Aufmerksamkeit fordern würden. „Aber wir wollen nichts Besonderes, wir wollen nur gleichberechtigte Partner im politischen System sein.“
Passanten motiviert er zur Beteiligung an der Ortsgestaltung. „Wenn etwas ist, sagen Sie Bescheid.“ So appelliert Scheuermann-Giskes an die Bürger, sich mit Anregungen und Kritik zu melden – sei es bei Mitgliedern der Bezirksvertretung, beim Heimat- und Bürgerverein, den Sportvereinen oder den Kirchengemeinden. Sich öffnen, darüber sprechen, Lösungen finden. Kleine Dinge, die Größeres bewirken können. Und wenn es nur eine Boulebahn auf dem Bandwirkerplatz ist. Gleich trifft er sich mit dem Verschönerungsverein am Dorner Weg. Dort oben, mit weitem Blick über die Landschaft, soll eine Parkbank aufgestellt werden. Ganz unbürokratisch.