Schulsozialarbeit: „Davon profitieren alle“

Schulsozialarbeiter Sven-Oliver Schütt fordert die Fortführung des Angebots.

Foto: Uwe Schinkel

Wuppertal. In den vergangenen Monaten wurde in Wuppertal viel über das Thema Schulsozialarbeit diskutiert. Eigentlich hätten die über Bundesmittel finanzierten Stellen der Sozialarbeiter gekündigt werden müssen, da die Fördergelder Ende 2013 ausgelaufen sind. Doch nach massiven Protesten von Schülern, Lehrern und Verantwortlichen wird die Schulsozialarbeit weitergeführt — wenn auch ohne Geld vom Bund. Sven-Oliver Schütt ist Schulsozialarbeiter an der Gesamtschule Barmen und erklärt im Gespräch mit der WZ, warum dieses Arbeitsfeld so wichtig ist.

Herr Schütt, seit wann und warum gibt es Schulsozialarbeit?

Sven-Oliver Schütt: Schulsozialarbeit gibt es nun schon seit mehr als 40 Jahren. Früher lagen die Aufgaben der Sozialarbeiter häufig in den schulisch abgesteckten Bereichen. In der heutigen Zeit hat sich das Feld deutlich nach außen gerichtet.

Inwiefern?

Schütt: Schulsozialarbeit kann auch als Rückgrat für die Schüler gesehen werden. Sie begleitet, befähigt, unterstützt, hilft, dolmetscht, tröstet, beschützt, motiviert und gibt dem Schüler Raum zum Entfalten.

Wo liegen die Probleme im Einzelnen?

Schütt: Probleme der Schüler liegen zu Hause, im Freundeskreis, im Verein. Schon Kinder haben gesundheitliche Probleme oder auch psychische Beschwerden. Die Auffälligkeiten innerhalb der Schule sind meist nur die Resultate der außerschulischen Situation.

Wie kann da geholfen werden?

Schütt: Schulsozialarbeit soll den Schülern außerhalb der Schule eine Basis schaffen, um wieder am Schulbetrieb teilzunehmen. Wobei die Gesundung und die Problembehandlung primär im Blickfeld liegen und sekundär erst die Schule.

Was genau macht ein Schulsozialarbeiter?

Schütt: Unser Aufgabengebiet ist sehr vielschichtig: Wir führen Einzel- und Gruppengespräche zur Vermeidung oder Abwendung von Konflikten unter den Schülerinnen. Auch die Förderung der sozialen Kompetenzen gehört zu den Aufgaben eines Schulsozialarbeiters. Wir bieten Hausaufgabenunterstützung an und vermitteln Nachhilfe. Außerdem helfen wir bei Problemlagen im persönlich sozialen Bereich der Schüler oder der Eltern.

Zum Beispiel?

Schütt: Dazu gehört es zum Beispiel, Eltern mit geringem Einkommen bei der Beantragung von Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket zu unterstützen. Ebenso obliegt uns die Förderung der Erziehungskompetenz der Eltern.

Was genau haben die Eltern von Schulsozialarbeit?

Schütt: Eltern stehen in der Gesellschaft als erste am Pranger. Sie werden für das Fehlverhalten ihrer Kinder verantwortlich gemacht. Oft fehlt der Mut, oft das Wissen, wo und wer als Ansprechpartner zu finden ist.

Und dann vermittelt der Schulsozialarbeiter?

Schütt: Eltern wollen oder können nicht den Lehrer als Vertrauensperson nutzen. Frust, Hilflosigkeit und Trauer sind das Ergebnis. Der Schulsozialarbeiter, der aufgrund seiner Beziehungsarbeit zu allen Schülern einen Draht findet, kann hierüber eine Brücke schlagen zu Lehrern, Ärzten, Kliniken, Jugendämtern und so weiter. Eltern haben durch den Schulsozialarbeiter Erziehungshilfe.

Warum hat der Bund die Finanzierung dieser wichtigen Aufgabe beendet?

Schütt: Der Bund hat die Finanzierung von Beginn an auf eine Dauer bis Ende 2013 angedacht und sieht sich nicht in der Pflicht, das Projekt weiter zu finanzieren. Stattdessen verweist der Bund auf die einzelnen Länder, sich um Finanzierungsmöglichkeiten zu bemühen.

Wer kommt jetzt für die Kosten auf?

Schütt: Solange die Länder und der Bund sich nicht einig werden, überbrücken einige Städte für bestimmte Zeit die Finanzierung. Städte wie Wuppertal haben sich bis Dezember 2014 für die Schulsozialarbeiter verpflichtet. Andere Städte nur bis zu den Sommerferien. Viele Städte konnten Schulsozialarbeiter nicht weiterfinanzieren.

Wer profitiert von der Fortführung der Schulsozialarbeit?

Schütt: Alle! Es geht ja bei der Diskussion nicht nur um die Absicherung von Arbeitsplätzen der Schulsozialarbeiter. Sondern Schüler, Eltern, Lehrer, Jugendämter, Vereine, und Kliniken sehen die positiven Entwicklungen, die diese Arbeit bringt. Im Fokus steht das Kind. Es profitiert am meisten. Es kann wieder ein gesundes, stressfreies, finanziell gesichertes, fröhliches, gleichwertiges, selbstbewusstes und glückliches Leben führen. Die Eltern profitieren, wie bereits gesagt, auch davon. Die Lehrer werden mit in den Prozess eingebunden und dadurch entlastet und können sich auf ihren Auftrag konzentrieren. Die Stadt kann dadurch, dass die Schulsozialarbeit viele Schüler präventiv begleitet und somit keine „Fälle“ im Jugendamt entstehen, viel Geld für Wohngruppen, Erziehungshilfen, Maßnahmen und so weiter einsparen. Heute kann, egal ob Grund- oder weiterführende Schule, eine Schule nicht mehr ohne Schulsozialarbeit sein. Meine Meinung ist daher, dass Schulsozialarbeit bleiben muss, und zwar dauerhaft an allen Schulen.

Wie viele Personen nehmen an Ihrer Schule die Leistungen der Sozialarbeiter in Anspruch?

Schütt: Fallbezogen, also Beratung und Begleitung, nehmen im Durchschnitt 20-30 Schüler im Monat wahr. An offenen Angeboten, Gruppenangeboten, AGs und Aktionen nehmen zwischen acht und 70 Schülern regelmäßig bis unregelmäßig teil.