Schwebebahn-Unfall WSW rechnen mit langen Ermittlungen
Warum fielen zwei Kabel von der Schwebebahnschiene? Dafür gibt es keine einfache Erklärung, sagen die Stadtwerke. Und beschweren sich über „Blödsinn“ im Internet. Der Ausfall hat auch Auswirkungen auf den Tourismus.
Die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) gehen davon aus, dass die Stadt noch „mehrere Wochen“ ohne ihr Aushängeschild auskommen muss. Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag machte WSW-Mobil-Chef Ulrich Jaeger deutlich, dass es für den Unfall am vergangenen Sonntag, bei dem Stromschienen vom Schwebebahngerüst auf ein Auto und in die Wupper stürzten, keine offensichtliche Erklärung gibt. Jaeger sagte: „Es wird sicher lange dauern, bis wir die Ursache gefunden haben.“
Ulrich Jaeger stellte klar, dass der aktuelle Unfall nach aktueller Kenntnislage nichts mit dem Unfall aus dem Jahr 2013 zu tun hat, bei dem schon einmal eine Stromschiene abgestürzt war. „Das war menschliches Versagen“, erklärte der WSW-Mobil-Chef. Ein Mitarbeiter hatte den Stromabnehmer einer alten Schwebebahn falsch montiert, so dass dieser das Kabel abgerissen hat. Bei dem aktuellen Vorfall zwischen den Stationen Varresbecker Straße und Zoo sei das jedoch nicht der Fall gewesen.
Kunststoffklemmen sollen
keine Rolle spielen
Auch Spekulationen, nach denen die Kunststoffklemmbacken, mit denen das Stromkabel gehalten wird, nachgegeben haben sollen, wies Jaeger zurück. Da habe er bei Facebook, aber auch in anderen Medien „viel Blödsinn“ gelesen. „Das ist kein Plastik.“ Die Klemmen hätten eine Traglast von 800 Kilo und könnten im Normalfall nicht einfach brechen. Von den rund 18 000 Klemmen seien in diesem Jahr 150 Stück ausgetauscht worden, weil sie kleinere Risse aufgewiesen haben. Das sei eine niedrige Quote.
Weitere Fragen hatte die Vorgehensweise der WSW aufgeworfen, nachdem ein Fahrer um etwa 12.37 Uhr die durchhängende Stromschiene in einer Kurve, etwa 200 Meter vor der Station Zoo, bemerkte. Wie die Stadtwerke jetzt mitteilten, hatte sogar vorher, um etwa 12.30 Uhr, bereits ein Fahrer einen Kurzschluss und ein „atypisches Geräusch“ gemeldet, bevor noch ein weiterer Wagen die Strecke passierte. „Warum wurde da nicht sofort die Brücke Siegfriedstraße geschlossen?“, so die Frage aus dem Netz.
Ulrich Jaeger erklärte: „Eigentlich hätte die Schiene nur in die Wupper fallen müssen.“ Schließlich war die durchhängende Schiene in deutlicher Entfernung zur Brücke gesichtet worden. Zwar fiel ein Teil der Schiene wirklich in den Fluss. Nur: Dass kurz vor 14 Uhr ein Teil der Schiene auf ein Cabrio auf der Brücke gestürzt ist, gibt den Stadtwerken bis heute Rätsel auf. Physikalisch hätten die beiden separaten Teile der Stromschiene überhaupt keinen Kontakt gehabt.
1900 Absagen für
den Kaiserwagen
Wann Licht ins Dunkel kommt, ist derzeit noch unklar. Am Donnerstag fuhr ein Team von Staatsanwaltschaft und Technischem Hilfswerk die betroffene Strecke ab. Beide Schwebebahnen der neuen Generation, die den Unfallpunkt kurz vorher passiert hatten, wurden von den Ermittlern gesichert. Jaeger: „Wir sind nicht Herr des Verfahrens. Das ist jetzt die Staatsanwaltschaft.“
Der Ausfall der Schwebebahn hat viele Bürger, aber auch Reisende schwer getroffen. Wuppertal Marketing musste bislang vorsorglich 1900 Menschen absagen, die eine Fahrt mit dem Kaiserwagen gebucht hatten. Es werden mehr werden, wenn die Schienen im Januar noch immer ruhen.
Gratis Busfahren am
verkaufsoffenen Sonntag
Doch die Folgen für den Tourismus sind noch weitreichender, wie Wuppertal-Marketing-Chef Martin Bang berichtet: „Es gibt Reise-Unternehmen, die eigentlich geplant haben, im Januar und Februar Busreisen mit Schwebebahn-Fahrt anzubieten. Vom Ibis-Hotel habe ich gehört, dass ein Gast eine Woche Wuppertal gebucht hat und jetzt wegen des Schwebebahn-Ausfalls nicht kommt.“
Zudem hingen an den Kaiserwagen-Fahrten diverse Hochzeiten, Geburtstage und Familienfeiern. Sehr viele Menschen seien traurig, sagt Bang, der den Besuchern zu dieser Jahreszeit nicht einmal mehr die beliebten Stadtrundfahrten mit dem Bus als Ersatz anbieten kann.
Auch für den Einzelhandel ist die Situation ein Tiefschlag kurz vor dem großen Weihnachtsgeschäft. IG-1-Sprecher Matthias Zenker sagt: „Das ist ein ganz unglücklicher Zeitpunkt.“ Viele seien es einfach gewohnt, zu den Weihnachtseinkäufen mit der Schwebebahn zu fahren.
Die Stadtwerke sind sich der schweren Situation bewusst und wollen Kunden sowie Händlern mit einem einmaligen Angebot entgegenkommen. Zum verkaufsoffenen Sonntag am 9. Dezember soll es in allen Bussen der Stadtwerke freie Fahrt geben. Die Stadttochter rechnet damit, den Bürgern an diesem Tag rund 10 000 Tickets zu schenken.
Zudem gibt es als Entschädigung für Nutzer der App „WSW move“ einen Zehn-Euro-Bonus. Und: Das Verkehrsunternehmen will sich kulant gegenüber Kunden zeigen, die wegen der längeren Fahrtzeiten mit dem Schwebebahn-Ersatzverkehr plötzlich früher an der Haltestelle stehen müssen - und damit aus dem Zeitrahmen ihres 9-Uhr-Abo-Tickets rutschen. „Das müssen wir allerdings in jedem Fall individuell regeln. Betroffene sollen sich bei uns melden“, sagt Ulrich Jaeger. Zusätzlich wollen die Stadtwerke den Kunden mit einem Gepäckservice in Barmen und Elberfeld während der Adventszeit den Einkauf erleichtern.
Zu möglichen Konsequenzen, die aus dem Unfall gezogen werden können, konnte Ulrich Jaeger am Donnerstag noch nicht viel sagen. Dass derzeit kein elektronisches System die Stromschiene überwacht, sieht der WSW-Mobil-Chef auch nach dem zweiten Kabel-Absturz nicht kritisch. Das Verkehrsunternehmen setze weiterhin auf eine „vorbeugende Instandhaltung“ und das wache Auge der Fahrer. Ulrich Jaeger: „Es wird kein vollelektronisches Überwachungssystem geben.“ Sorgen sollten sich die Bürger nicht machen. Auch nicht in Vohwinkel, wo die Schwebebahn in großen Teilen über der Straße hängt. Es werde sicherlich keinem Fußgänger ein Kabel auf den Kopf fallen. Da gibt sich Jaeger - auch trotz des noch völlig ungeklärten Unfalls - betont sicher.