Was glauben Sie denn? Der bittere Cheschwan
Der Monat Tischri (Sept./Okt.) ist der Monat im jüdischen Kalender mit den meisten Feiertagen. Ihm folgt der Monat Cheschwan, oftmals der „Bittere“ genannt, weil es in unserer langen Geschichte auch in diesem Monat dramatische Ereignisse aber keinen Feiertag gibt.
Haben diejenigen, die letzteres behaupten, nicht etwas vergessen, das Geschenk des 7. Schöpfungstages, den Schabbat?
In sechs Zeiträumen wurden die Welt, die Tiere und die Menschen geschaffen. Damit war die Schöpfung eigentlich vollendet.(1.Mose 2,1) Allein den Menschen verlieh Gott mit einem Hauch Seines Seins eine Ahnung von der Dimension der Ewigkeit, denn sie sollten Seine Mitarbeiter an der Entwicklung der Schöpfung werden und Verantwortung für sie übernehmen. Damit sie dieser Aufgabe gewachsen sind , schenkte Er ihnen den 7. Tag. Ersegnete den 7. Tag und heiligte ihn und Er ruhte an ihm. (1. Mose 2, 2-3) Wird Gott denn müde? Sicher nicht. Doch die Menschen mussten erst lernen, was Ruhe bedeutet, nämlich die Dinge des Alltags loslassen zu können, sich jeder kreativen Tätigkeit zu enthalten. Wenn Gott die Dinge ruhen lassen konnte, dann brauchen auch die Menschen nichts hinzu zu fügen. Sie sind aufgefordert, teilzuhaben am Segen des 7. Tages. Segen ist erfüllt mit Freude. Im Traktat Genesis rabba 10,9 lesen wir: „Was wurde am 7. Tag geschaffen? Gelassenheit , Heiterkeit, Frieden und Ruhe.“ Freude, Heiterkeit und Frieden können sich erst richtig entfalten in der Gemeinschaft Gleichgesinnter. So finden sich am Freitagabend, dem Beginn des Schabbat und auch am Schabbat, Menschen in den Synagogen und Betstuben ein, um Gott zu preisen , Ihm zu danken, Seine Weisungen zu lernen und eine Ahnung zu bekommen von der Heiligung der Zeit, denn Gott heiligte den 7. Tag. Gott ist überall. Wir können Seine Dimensionen nicht ermessen. Doch mit der Heiligung dieses Tages hat ER uns die Zusage Seiner besonderen Nähe gemacht, wenn auch wir uns Ihm zuwenden.
Bei aller Spiritualität ist Judentum sehr bodenständig. Der Freitag ist voller Vorbereitungen für den Schabbat. Alles Räume sind aufgeräumt, es zieht ein Duft von frischen Challot – geflochtenen Schabbatbroten-, Hühnersuppe, Fisch und Tscholent- ein deftiger Eintopf, der lange köcheln und warm gehalten werden kann,- durch die Wohnung. Der Tisch wird festlich gedeckt, der Rotwein entkorkt und man kleidet sich sorgfältig. Bei Einbruch der Dunkelheit beginnt der Schabbat. In der Regel begrüßt die Familie ihn in der Synagoge mit innigem Gesang wie eine Königin oder ein Braut. Oft bleibt die Frau des Hauses daheim. Wenn die Familie, meistens mit Gästen, nach Hause kommt, empfangen sie die warmen Lichter der Schabbatleuchter. Es ist das Vorrecht der Frauen, diese zu Beginn der Dunkelheit mit einem Segensspruch anzuzünden. Vor dem Essen segnet der Vater Brot und Wein – wir nennen es Kiddusch- Dann wendet man sich bei angeregten Gesprächen den Köstlichkeiten der Tafel zu. Nach dem Tischgebet wird viel gemeinsam gesungen, man beschäftigt sich mit den Kindern, geht auf sie ein, nimmt sich Zeit für sie, für die Gäste, ist herzlich einander zugewandt und wird durch nichts gestört. Es sei denn, dass ein Unfall passiert, ein Mensch oder auch ein Tier erkrankt. Dann wird der Schabbat unterbrochen, denn der Schabbat ist für den Menschen da und nicht umgekehrt. Leben hat Priorität. Es wird alles unternommen, es zu retten. Darum leisten medizinische , Rettungs- und Ordnungskräfte am Schabbat Dienst. Das ist eine Mizwa/gute Tat und ihnen gilt unser besonderer Dank.
Der Schabbatmorgen beginnt wieder mit dem Segen über Brot und Wein und meistens gehen die Männer der Familie zur Synagoge. Wenn die Familie wieder vereint ist, wird gegessen, geruht, spazieren gegangen. Vor allem aber hat man Zeit füreinander, hört einander zu, auch die Liebe und Freude der Ehepartner aneinander soll nicht zu kurz kommen. Sobald der Abend naht, möchte man ihn noch etwas festhalten, den Schabbat. Die Sterne leuchten schon, es ist ganz dunkel, wir müssen uns trennen und tun es mit einer liebevollen Zeremonie mit Gesang bei Kerzenschein, Wein, und duftenden Kräutern. So nehmen wir den Geschmack und den Duft des Schabbat mit hinüber in die neue Woche und hoffen, dass uns das durch trägt bis zur Freude des nächsten Schabbat.
In Israel werden am späteren Abend noch die Geschäfte geöffnet und viele Menschen strömen in die Konzertsäle, Theater und Restaurants. So lassen sie den Tag ausklingen.
Zu allen Zeiten gibt es Juden, die den Schabbat nicht so recht einhalten aber zu allen Zeiten und überall auf dieser Welt hat der Schabbat das Volk Israel, Strengreligiöse, Liberale, Reformer und Säkulare zusammen gehalten.