Dramaturgin Aktiv zwischen Intendanz, Publikum, Regie und Stück
Wuppertal · Die 33-jährige Hessin hat Musik und Deutsch auf Lehramt studiert. Doch die Leidenschaft für die Arbeit am Theater war größer.
Mit 16 Jahren kam die Lust am Singen und weil die Gesangslehrerin klassisches Liedgut unterrichtete, entdeckte auch Sina Dotzert „diese facettenreiche Musikwelt“ für sich. Im Fernsehen schaute sie sich damals häufig Opern an. Die reizten die Jugendliche, weil sie wie Mozarts „Don Giovanni“ aus einer anderen Zeit stammend die Menschen heute beschäftigten. Und weil ihr auffiel, dass bei den Inszenierungen viel schief laufen konnte. Heute ist die gebürtige Hessin 33 Jahre alt und ab 1. August offiziell Dramaturgin der Oper Wuppertal. Sie singt zwar selten, „aber das kommt wieder“.
Die Familie hatte nichts mit klassischer Musik am Hut, wenngleich der Vater ein musischer Mensch sei, erzählt die junge Frau, die am ersten Juliwochenende in eine Wohnung in Wuppertal ziehen wird. In einem 200 Einwohnerdorf im Vogelsbergkreis kam sie 1987 zur Welt, entschied nach dem Abitur 2006, „etwas mit Musik machen“ zu wollen. Musikwissenschaften schieden dabei aus, weil die Eltern sie als „perspektivlos“ ablehnten, für Gesang reichte die Sopranstimme nicht. Also bündelte Sina die Freude an Recherche, Nachdenken und Vermittlung und nahm ein Lehramtsstudium in Musik und Deutsch auf.
Eine goldrichtige Entscheidung, weil das „Super-Studium“ in Frankfurt am Main viele Freiheiten bei der Seminarwahl gab, sie auf die künstlerische Schiene setzte, dazu Germanistik und weitere Fächer wie Pädagogik vermittelte. Das Unbehagen am Lehrerberuf aber blieb, so dass sich die Studentin gegen die Institution Schule und fürs Theater entschied. Dort entdeckte sie den Beruf der Dramaturgin, „der ein Knaller ist“. Als Dramaturgin könne sie Theater machen, ohne wie ein Regisseur Leute „rumzuschubsen“, ohne das Ensemble begeistern zu müssen. Vielmehr könne sie Institution und Stücke befragen, viel bewegen, mit dem Publikum Kontakt haben, viel lernen, kritisieren – und „das alles in einem tollen Arbeitsfeld“, begründet sie ihre Begeisterung.
Zur Unterstützung wird ein
neuer Kollege zur Seite gestellt
Der Erkenntnis folgten das Staatsexamen 2012 und einige Jahre, in denen die junge Frau viele Theater-Praktika absolvierte und in der freien Szene in Frankfurt und Umgebung aktiv war. Weil aber die Bewerbungen um feste Jobs nicht fruchteten, trat sie im Herbst 2016 doch ihr Referendariat an. Es blieb bei einem Intermezzo, das ein Anruf der Komischen Oper in Berlin beendete, die sie von einem Praktikum her kannte. Drei Jahre arbeitete sie dort als Dramaturgieassistentin, bis sie sich im Sommer 2019 auf die Stellenausschreibung der Oper Wuppertal bewarb, die einen Nachfolger für David Greiner suchte.
Greiner führte sie im Mai auch in die Arbeit ein. Die Corona-Krise reduzierte ihre Aufgaben in Berlin, erlaubte ab und an ihre Anwesenheit in Wuppertal, wenngleich die Übergabe ebenfalls coronabedingt ziemlich theoretisch ausfiel. Und weil ihr Vorgänger in seinen zwei Wuppertaler Spielzeiten eine zu hohe Arbeitsbelastung zu schultern hatte, wird Dotzert nun Unterstützung zur Seite gestellt. Marc von Reth tritt eine halbe Dramaturgen-Stelle an, übernimmt zwei Produktionen und die Liederabende.
Als Dramaturgin stehe sie zwischen Intendanz, Publikum, Regie und Stück, recherchiere, analysiere, vermittle und kritisiere, beschreibt Dotzert ihre künftigen Aufgaben. So sei sie in die Stücke- und Regieteam-Auswahl eingebunden, habe Kontakt zum Publikum (Freundeskreis der Bühnen, Opern-Einführungen, Matineen) berate die Theaterleitung, entwickle mit den Regieteams Konzepte, sei in der Vermittlung tätig (Obertitel und Share Your Opera). Ihre erste Produktion ist „Die Zauberflöte“ mit der die Oper im September ihre Saison 20/21 eröffnen will.
Die Proben finden derzeit auf der großen Opernbühne statt, was unter Wahrung verschiedener Abstandsregeln nicht einfach ist. Bei der aktuellen Beschäftigung mit Mozarts Werk und seiner einzigartigen Musik entdeckte Dotzert, dass man es als Stück über das lesen kann, was alles in der Aufklärung schieflief: „Es wird von Freiheit gesprochen, dabei werden viele davon ausgeschlossen. Das ist hochaktuell.“ Auf eine Lieblingsoper möchte sich Dotzert aber nicht festlegen, „da ich in jedem Stück etwas anderes entdecke“.
Auf Entdeckungsreise ist sie auch zu Fuß in Wuppertal. Von Barmen nach Elberfeld, durch Grünanlagen oder auf der Nordbahntrasse. Und immer wieder macht sie dabei die schöne Erfahrung, dass die Wuppertaler sehr aufgeschlossen, ehrlich und interessiert sind.