Politik Europa als Chance fürs Bergische
Bei der Podiumsdiskussion der SPD ging es um Fördergelder - und deren mangelnde Bekanntheit.
So wichtig die Botschaft, so überdeutlich kam sie daher: Der Abend der SPD-Landtagsfraktion „Europa – eine Chance für das bergische Städtedreieck?“ in der Citykirche stand ganz im Zeichen finanzieller EU-Förderung mit dem Appell, sie stärker bewusst zu machen. Im Jahr der Europawahl am 26. Mai schien das ein einleuchtender Ansatz, um für die Vorzüge der EU zu werben – per Vortrag und Gesprächsrunde.
Parteispezifisches stand nicht im Mittelpunkt; doch lag den Akteuren sichtlich daran, sich zur Wahl auch als SPD zu präsentieren: Dietmar Bell nahm teil, Mitglied der SPD-Landtagsfraktion und deren wissenschaftspolitischer Sprecher; gekommen waren auch Petra Kammerevert, Abgeordnete im EU-Parlament in der Fraktion „Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten“, sowie Heiner Fragemann, seit 2016 Bells Nachfolger als SPD-Chef.
Zentrale Figur war freilich Josef Neumann, Kollege Bells im Landtag. Um besagte Wirkungen zu zeigen, referierte er einleitend über verschiedene EU-Förderprogramme und bezifferte deren Summen. 2,4 Milliarden Euro erreichen Deutschland demnach jährlich als Direktzahlungen aus „ESIF“, dem Europäischen Struktur- und Investitionsfonds. Neben solchen Zahlen fehlte es nicht an hiesigen Adressaten, die Zuwendungen erhielten und sie nutzten. Neumann nannte die Nordbahntrasse, in die auch EU-Summen flossen, und die heute fraglos Erfolgsmodell ist. Für Solingen fand deren Nordstadt Erwähnung, die zuvor zu den eher gemiedenen Stadtteilen gehört habe. Und die ganze Region profitiert demnach vom Bergischen Panoramaradweg, gebaut ab 2016. Ganz zu schweigen von der Landwirtschaft: Der Landwirtschaftsfonds ELER unterstützt die Entwicklung des ländlichen Raums, der Fonds EAGFL verfügt insgesamt über rund 3,5 Millionen Euro.
„Der Bergische ist
kein Laut-Sprecher“
Doch zu schweigen, das war auch hier Appell des Abends, schien ein falscher Umgang mit den Zuwendungen; auch hierzulande, so Neumann, fehle es oft am Benennen: „Bei den vielen Empfängen habe ich noch nie etwas davon gehört.“
Neumann fungierte aber auch als Moderator der Runde, bei der drei Diskutanten den zweiten Teil des Abends bestritten: Martina Kissing von der Europaförderung der Stadt Wuppertal saß auf dem Podium neben Stefanie Bluth, stellvertretende Vorsitzende der Remscheider SPD, sowie Stephan Vogelskamp von der Bergischen Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft. In dieser Rolle führte Neumann den Bogen seines Vortrags weiter: Zur Sprache kam, wie aus Sicht der Diskutanten Fördergelder zu gewinnen sind – und immer wieder: Es muss bekannter werden.
Kissing zeigte sich angetan von der aktiven Region: „Ich bin immer beeindruckt, was in unserer Stadt und im Städtedreieck passiert.“ Zur Frage, worauf es bei der Bewerbung um Mittel ankomme, empfahl Vogelskamp generell: „Der wichtigste Punkt ist die Begeisterung. Wenn man klar macht, worin ein Vorhaben Verbesserungen bringt, bekommt man das Projekt auch durch.“ Stefanie Bluth hob besonders auf die erfolgreichen Städtepartnerschaften ab, die stark von Vereinen getragen seien. Vogelskamp griff das spontan auf und schlug eine Einladung der verschiedenen Partnerschaftsvereine vor. Erzählt wird von Erfolgen zu wenig, bejahte er Neumanns schon bekannte Frage, der später ähnlich wissen wollte: „Müssen wir nicht mutiger in der Kommunikation sein?“ Vogelskamp stimmte zu und ergänzte: „Nun ist der Bergische kein Laut-Sprecher - im Rheinland kann man das besser.“
Folgte der Abend so einer klaren Dramaturgie, kam anderes etwas kurz. Wenn auch die Förderverteilung in der Tat die Effekte Europas illustrieren mochte: Was der europäische Gedanke sonst auch meint, war zur Erwähnung offenbar nicht vorgesehen. Stefanie Bluth versuchte es dennoch: „Es geht aber nicht nur um Kohäsionspolitik“ und erinnerte an so Grundsätzliches wie die europäischen Werte – nicht ohne Grund: Angezweifelt hätte diese natürlich niemand, aber zu hören waren sie kaum. „Sie bringen uns Stabilität, die wir auch brauchen.“ Zudem erinnerte die Remscheider SPD-Frau an günstige finanzielle Bedingungen für den Warenverkehr im EU-Raum – wichtig gerade für ein Land wie Deutschland mit seinem Fokus auf Export.
Doch Lektionsziel des Abends blieb: Mehr Werbung. „Gerade dann“, beharrte Neumann an Bluths Adresse, brauche es Infostände und sonstige Kommunikationsmittel. Und unberechtigt war der Tenor natürlich nicht - just dieser Tage: Präsenter als die nahe EU-Wahl scheint vielen der geplante Brexit. Kissing zu europäischem Denken: „Junge Leute, die es für selbstverständlich hielten, sind nicht zur Wahl gegangen.“ Nicht nur für Fördergeld dürfte gelten: Selbstverständlich ist so manchem in der Politik allzu vieles nicht mehr.