"Kultur am Vormittag": Der Minotaurus in der Grundschule
Bei „Kultur am Vormittag“ lernen Schüler spielerisch und verbessern dabei Sprache, Beweglichkeit und Teamfähigkeit.
Wichlinghausen. Harter Tobak ist es, den die Schüler der Klasse 4a mit Theaterpädagogin Esther Reubold jeden Freitag einstudieren. Aber eigentlich, so erklärt die zehnjährige Maria, ist alles doch ganz einfach: „Kreta ist öde, und deshalb wollen wir da nicht bleiben.“
Wir, das sind Ikarus und Daidalos, die als Strafe für den Ariadnefaden von König Minos im Labyrinth des Minotauros auf der griechischen Insel gefangen gehalten werden. Griechische Mithylogie in Klasse 4, überfordert das die Kinder nicht? „Die Schüler denken sich Teile der Texte für das Stück sogar selbst aus“, sagt Schulleiter Rainer Quint.
Zum Einzugsgebiet der Katholischen Grundschule Wichlinghausen gehören gleich mehrere Bezirke, in denen der Anteil der Schulanfänger mit Migrationshintergrund mit unzureichenden Deutschkenntnissen bei bis zu 55 Prozent liegt. Schulleiter Quint hat beobachtet, dass viele Erstklässler Deutsch zwar verstehen, aber kaum in der Lage sind, es zu sprechen.
Im dritten Jahr macht die Klasse 4a bereits beim Mus-E-Projekt „Kultur am Vormittag“ mit — und mittlerweile gehen den Kindern auch komplizierte Worte über die Lippen — zu Beginn der ersten Szene sagen sie ganz selbstbewusst sogar ein Gedicht von Ernst Jandl auf.
Die Stärkung des Selbstbewusstseins, das sei gerade für die leistungsschwachen Schüler wichtig, ist Klassenlehrer Stefan Stövesand überzeugt. „Hier wird keiner ausgelacht, wenn er mal einen Fehler macht“, sagt er.
Auch in den anderen fünf Klassen, in denen es jede Woche „Kultur am Vormittag“ gibt, ist es erlaubt, mal etwas falsch zu machen — zum Beispiel in der 4b. Dort haben Diego, Dilara, Ayoub, Seferjan, Sonya, Nadia, Katharina und die anderen von Percussionist Shamsadeen Adjei gelernt, zu trommeln. Noten gibt es keine, und das findet vor allem Dilara gut: „Wir müssen keine Angst vor schlechten Noten haben.“
So einfach wie Katharina dachte, ist das Trommeln aber gar nicht. Irgendwann habe es dann aber doch geklappt. Mehrere Stücke haben die Kinder mit dem Senegalesen Adjei einstudiert und wissen bei jedem genau, wer welche Trommel bekommt und wer wo sitzt oder steht. „Die Schüler koordinieren sich selbst“, erklärt Schulleiter Quint. Und weiter: „Jeder hat in der Gruppe einen Platz gefunden. Seine Kollegin Susanne Grundmann fügt hinzu: „Für die dritten Klassen wäre es ein herber Bruch, könnten wir Mus-E nicht fortsetzen.“
Nachdem die Wuppertaler Winzig-Stiftung die Förderung bis zum Ende des laufenden Schuljahrs, nach dem Ausstieg der insolventen Yehudi-Menuhin-Stiftung, übernommen hatte, ist weiterhin unklar, ob sich für das nächste Schuljahr ein neuer Geldgeber finden wird. Spenden sind hochwillkommen, ließ die Stadt Wuppertal in einer Pressemitteilung verlauten.