Als Elberfeld „Deutschlands Manchester“ war
Stahlstich aus dem Jahr 1845 tauchte auf einem belgischen Flohmarkt auf.
Elberfeld. Sensationeller Flohmarkt-Fund: Beim Trödeln in der belgischen Kleinstadt Tongeren hat Journalist Atze Schmidt eine Mappe mit mehreren Stahl- und Kupferstichen aus der Zeit von 1820 bis 1860 entdeckt — auch ein kolorierter Stich von Elberfeld war dabei. Auf dem Blatt ist vermerkt, dass die Elberfelder Ansicht 1845 in der „Kunstanstalt des Bibliographischen Instituts zu Hildburghausen“ gefertigt worden war, also aus Thüringen stammt. Nichts verrät das Blatt jedoch über den Maler, der die Vorlage für den Stich geliefert hatte.
Als das Werk geschaffen wurde, gärte es in Deutschland. Nur noch drei Jahre sollte es dauern, bis sich von Baden und der Pfalz die Revolution von 1848 über das deutsche Reich ausbreiten würde. Doch biedermeierlich-idyllisch wirkt das Elberfelder Bild, und genau das war der Stil, der gefragt war.
Die Weigerung der Maler und Metallstecher, auch nur einen Fabrikschornstein abzubilden, war im Falle von Elberfeld, wie man sieht, allerdings nicht durchzuhalten. Galt Elberfeld doch damals, wie in einer Enzyklopädie von 1850 mit dem Titel „Meyer‘s Universum oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde“ nachzulesen, als „für die industriereichste Gegend Deutschlands das, was Manchester für den blühenden Fabrikbezirk Englands ist — der Kopf und das Herz“.
Weiter ist in „Meyer‘s Universum“ zu lesen: „Das ganze Wupperthal in der Länge von drei Stunden gehört zu Elberfeld, und es trägt nur die Namen verschiedener Städte und Orte, denn sie hängen alle aneinander wie Westminster, Southwark, Islington und die 30 oder 40 anderen Städte und Flecken, die jetzt der Name London zusammenfasst. Das eigentliche Elberfeld zählt 50 000 Einwohner, der ganze Ortskomplex des Wupperthals aber mehr als das Doppelte.“
Der mehr als 160 Jahre alte Text verrät auch, welchen Umfang die stürmisch sich entwickelnde Industrie seinerzeit im „deutschen Manchester“ hatte: „In einem Umkreis von 4 deutschen Meilen liegen um Elberfeld nicht weniger als 120 Fabrikorte, die mehr oder weniger mit Elberfeld ein gemeinschaftliches industrielles Daseyn haben. Fabrik reiht sich an Fabrik, Weberei an Weberei, Spinnerei an Spinnerei, und hunderte von Radwerken und Thurm-Essen verrathen die großen mechanischen Kräfte. Die Zahl der in Elberfeld selbst beschäftigten Fabrikarbeiter ist gegen 16 000, aber im ganzen Wupperthale rechnet man ihrer mit 38 000.“
Und wie lebte es sich in Elberfeld außerhalb der Fabriktore? „Das Leben in Elberfeld“, heißt es dazu, „ist großstädtisch; die reichen Familien der Kauf- und Fabrikherren geben den Ton an.“