Gelebte Toleranz auf dem Weinberg
Auf dem jüdischen Friedhof Am Weinberg erinnerten 300 Besucher an die Pogromnacht am 9. November 1938.
Wuppertal. Manch einen mag es erstaunen, doch es gibt auf dem jüdischen Friedhof Am Weinberg noch Grabsteine aus den 1930er Jahren. Sie wurden, das ist heute zu resümieren, glücklichen Menschen gesetzt - denen nämlich, die das schlimmste Leid nicht mehr erleben mussten.
Zwischen den Grabsteinen, hoch über einer Stadt, die abscheulichstes Unrecht zuließ, fanden sich am Sonntag etwa 300 Menschen zur Erinnerung an den 9.November 1938 ein, als der Terror gegen Juden einsetzte und das menschenwürdige Andenken an die Toten endete. Auch in Wuppertal wüteten damals die Nazis. Die Synagogen in Elberfeld und Barmen gingen in Flammen auf.
70 Jahre später: Es war eine ergreifende Feier auf dem Weinberg. Bildhaft gestützt durch einen Vortrag von Solinger Gesamtschülern eines Arbeitskreises "Jüdischer Friedhof". Sie trugen Passagen aus einem Dialog mit einer Überlebenden des Holocaust vor, die 1939 nach England fliehen musste, während ihre Verwandten den Schergen des NS-Staates zum Opfer fielen.
Von den vielen Erinnerungen der Ilse Levin stachen einige besonders bizarre Ereignisse hervor, etwa die Zahlung von 60 Pfennig für eine unfreiwillige Nacht in einer Zelle der Verbrecher.
Dass 20 Prozent der Deutschen immer noch einen latenten Antisemitismus pflegen, rief Solingens Oberbürgermeister Franz Haug in Erinnerung. Dass dieser Tatsache leider auch zahlreiche Gewalttaten entsprechen, betonte Leonid Goldberg, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde in Wuppertal.
Er würdigte dennoch einen toleranten Staat, dessen Toleranz auch durch das Erinnern gestärkt werden müsse. 2.400 Gemeindemitglieder im Bergischen seien Anlass zur Hoffnung.