Streifzüge durch die Stadtgeschichte (2): Reise in die goldene Zeit der Wuppertaler Textilindustrie
Der Bergische Geschichtsverein und das historische Zentrum veranschaulichten 500 Jahre Textilgeschichte in der Stadt.
Wuppertal. Kurz nach 14 Uhr tröpfeln die letzten Wanderfreunde am Schwebebahnhof Berliner Platz ein. „Ab jetzt werde ich auch wieder von der Färberei aus starten“, beschließt Klaus-Günther Conrads vom Bergischen Geschichtsverein, der durch die 500-jährige Textilgeschichte von Oberbarmen bis zur Öhde führt.
Die Führung durch Wuppertals Textilindustrie bietet der Verein in Zusammenarbeit mit dem historischen Zentrum zweimal im Jahr an. Wenn Conrads nicht gerade zu den alten Fabrikhäusern weist, macht das in der Regel Kollege Reiner Rhefus, der die Wanderung ebenfalls begleitet. Die 24 Wanderer sind gespannt. „Ich wollte schon immer mal losziehen. Die Textilbranche hat ja doch ihren Namen im Tal“, sagt Teilnehmerin Erika Saur.
Nachdem morgens der Regen unaufhörlich auf den Boden prasselte, lockerte am späten Mittag die graue Wolkendecke langsam auf: „Sie haben gutes Wetter mitgebracht“, scherzt Klaus-Günther Conrads, sichtlich erfreut über die doch zahlreich erschienenen Teilnehmer. Die haben getreu dem Motto „zweckmäßig sollte es sein“ gehandelt und machen sich in Funktionskleidung verpackt auf den Weg.
17 Stationen liegen vor der Truppe. Dabei soll es von der Bleicherei zur Kunstseide, um Verkehr, Versorgung und Folgeindustrien, gehen. Schon an der Schwebebahnstation Oberbarmen geht es in das Jahr 1903 zurück.
„Das war hier der Verkehrsknotenpunkt zwischen der Eisen- und Straßenbahn. Damals hieß das aber noch Rittershausen“, erzählt Conrads an der Wagenhalle von 1901, der heutigen Poststelle, angekommen. Weiter geht es über die angrenzende Brücke, die einen weiten Blick über die alten Ziegelhäuser mit ihren langen, in den Himmel ragenden, Schornsteinen gewährt. Zwischen Natur und Industrie legt Conrads immer wieder kleine Pausen ein, in denen er die Entwicklung von alten Bahnverbindungen und Netzwerken beschreibt.
Bis alle 24 Wanderer eine Grünanlage zwischen Berliner Platz und Bleiche passieren und es plötzlich 1870 ist: „Der Park wurde nach Friedrich Bayer benannt. In seinem Wohnhaus an der Heckinghauser Straße hat er die ersten Färbeversuche gemacht. Dann blieb einmal in der Woche die Küche kalt“, erklärt der Historiker, der auch sonst locker und witzig durch die Geschichte fliegt.
Weiter geht es von der Bleiche zum Gaskessel auf der Mohrenstraße in Richtung Milchhof über die Heckinghauser Straße bis hin zur Dampfmaschinenfabrik auf der Bockmühle. Um 1900 habe es etwa 100 Färbereien an der Wupper gegeben: „Das ist Anschauung pur. Man sieht die Stadt mit anderen Augen“, sagte Exkursionsteilnehmerin Nadja Schulte, Studentin der Sozialwissenschaften. Den Schlusspunkt der Route markierte das Bleicherhaus auf der Öhder Straße, das beispielhaft für die Entwicklung der Textilindustrie in Wuppertal sei, wie die Führer anmerkten.