Tagebuch aus Wuppertaler Grundschulen Tagesschule Dönberg: Demokratie in der Grundschule lernen
Wuppertal · Der Klassenrat eröffnet den Kindern die Möglichkeit, Probleme und Konflikte in ruhiger Atmosphäre zu besprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
„Herzlichen willkommen zum Klassenrat!“ So begrüßen die Klassensprecher Nick und Angelina ihre Klassenkameraden zum wöchentlichen Treffen. Als Klassensprecher vertreten sie die Interessen der Schüler, vermitteln zwischen Schülern und Lehrern und leiten den Klassenrat. Es ist Montag Mittag. Für meine Klasse beginnt die fünfte und letzte Unterrichtsstunde des Tages.
Gebannt sitzen die 24 Jungen und Mädchen der Tagesschule Dönberg auf Teppichfliesen in einem Halbkreis auf dem Boden. Mittig gegenüber haben Nick und Angelina Platz genommen und eröffnen die heutige Sitzung. Vor ihnen steht ein Schuhkarton, der zu einem Postkasten umfunktioniert wurde. Die Schüler können unter der Woche Lob und Kritik notieren. Nick zieht den ersten Zettel aus dem Karton und liest das Geschriebene laut vor: „Tim hat mich am Donnerstag in der zweiten Pause geschubst.“ (Namen von der Redaktion geändert.) Die Botschaft stammt von Linus. Dieser meldet sich und berichtet, wie sehr er sich darüber geärgert habe. Die Klassensprecher sprechen Tim auf den Vorwurf an. Dieser wehrt sich: „Ja, das stimmt. Aber ich habe es doch nur gemacht, weil Linus mich beim Rauslaufen angerempelt hat.“ „Das war doch keine Absicht!“, kontert Linus. „Trotzdem war es blöd für Tim“, wirft Nick ein. „Du solltest beim nächsten Mal vorsichtiger sein.“
Der Klassenrat eröffnet den Kindern die Möglichkeit, Probleme und Konflikte in ruhiger Atmosphäre zu besprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Manchmal werden die Kinder auch angehalten, Kompromisse zu schließen. Ich mische mich nur ein, wenn es jemandem misslingt, die Gesprächsregeln einzuhalten. Das spiegelt genau die Schwierigkeiten wider, mit denen meine Kolleginnen und ich tagtäglich konfrontiert werden. Warten können, bis man an der Reihe ist – diese Regel ist in einer Gruppe unverzichtbar und doch ist die Einhaltung für viele Grundschüler schwierig. Kinder im Grundschulalter neigen teilweise zu egozentrischem Verhalten und können sich nur durch klare Regeln und dem Aufzeigen von Grenzen im Sozialverhalten weiterentwickeln.
Warum der Klassenrat für das soziale Miteinander unverzichtbar ist, bestätigt mir auch meine Kollegin Lena Leibinger, Klassenlehrerin der Klasse 2a: „Die Kinder trainieren die Fähigkeit, miteinander zu kommunizieren.“ Aber nicht nur das. Im Klassenrat geht es um mehr. Die Kinder lernen mit dem Klassenrat ein demokratisches Forum kennen.“ Demokratieerziehung ist ein fester Bestandteil des Lehrplans für Grundschulen. Am Ende der Klasse 4 sollen Grundschüler in der Lage sein, Verfahren zur Entscheidungsfindung zu nutzen, beispielsweise Abstimmungen oder Wahlen.
Mit meiner Klasse führe ich den Klassenrat seit etwa zwei Jahren durch. Von Woche zu Woche kann ich mich weiter aus dem Geschehen zurückziehen und die Kinder die Sitzung unter Beobachtung eigenständig durchführen lassen. Ich sitze etwas abseits und notiere getroffene Vereinbarungen auf einem Protokollbogen. Diese lesen Nick und Angelina zum Schluss laut vor. Diesmal haben alle gemeinsam entschieden, dass die Kinder beim Rauslaufen auf den Schulhof mehr Rücksicht aufeinander nehmen sollen. Außerdem wünscht sich die Klasse eine Spielzeugstunde am Tag der Zeugnisausgabe. Der Postkasten ist leer und wird bis zum nächsten Montag zurück auf die Fensterbank gestellt.
Franziska Manka ist 34 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann und drei Töchtern in Wuppertal. Ihr Referendariat in den Fächern Deutsch und Sport hat sie 2015 beendet. Seit 2019 ist sie Klassenlehrerin an der Tagesschule Dönberg und unterrichtet Deutsch, Mathematik, Sachunterricht, Kunst und Sport.