Solidarität Mit Ignoranz gegen die Angst
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh will sich gewalttätigen Gegnern nicht geschlagen geben und erhält prominente Unterstützung von Thomas Haldenwang.
Das Büro an der Obergrünewalder Straße im Luisenviertel ist noch immer gezeichnet. In der Nacht zu Donnerstag hatten vermutlich linksextremistische Täter Pflastersteine durch die geschlossenen Fenster geworfen und Beutel mit schwarzer Farbe. Die Tat zog ein bundesweites Echo nach sich. Es war auch nicht das erste Mal, dass der Wuppertaler Sozialdemokrat ins Visier der Gegner seiner Flüchtlingspolitik geraten ist. Er steht auf der Todesliste einer nebulösen rechtsextremen Gruppierung, ist in den Sozialen Medien Anfeindungen von rechts ausgesetzt und auch von ganz links erntet er Hassbotschaften bis hin zu Pflastersteinwürfen.
Lindh kritisiert, dass
niemand an die Mitarbeiter denkt
Nein, an mehr Vorsicht, mehr politische Zurückhaltung denke er nicht. „Ich habe mir eine Art Ignoranz angeeignet“, sagt er kurz vor Beginn der Aufräumarbeiten. Lindh hat schnell gelernt, dass diese Kehrseite der Medaille zum Politikerleben dazugehört. „Was mich aber ärgert ist, dass diese Leute vermeintlich im Sinne der Menschlichkeit Menschenverachtendes tun. Wo die Steine eingeschlagen sind, sitzt tagsüber meine Mitarbeiterin. An die Mitarbeiter denkt niemand, wenn er solche Gewalt anwendet.“ Diese selbsternannten Antifaschisten seien in Wahrheit das Gegenteil, sie seien Faschisten. Auch Tage nach dem Attentat hat Lindh sich noch nicht ganz beruhigt.
Umso wohltuender war für ihn am Samstag der Besuch des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Thomas Haldenwang (CDU) ist Wuppertaler, der Besuch das Heimspiel eines bekennenden Lokalpatrioten. Und selbstverständlich ist die Visite auch. „Für mich ist das ein Zeichen der Solidarität unter Demokraten“, sagt Haldenwang. Er beobachtet den Zuwachs der Übergriffe auf Wahlkreisbüros von Bundestagsabgeordneten überall in Deutschland mit gespannter Wachsamkeit. Die Übeltäter finden die Verfassungsschützer sowohl ganz rechts als auch ganz links von der politischen Mitte. Ausdruck der Gewalt sind Worte und Taten. Steine auf das Wahlkampfbüro in Wuppertal, Schüsse auf das Büro eines Abgeordneten in Halle an der Saale, Hassmails, ernste Bedrohungen. „Das trifft nicht nur die Politiker, sondern auch deren Familien. Ich kann verstehen, dass Mandatsträger sich dann aus der Politik zurückziehen.“
Davon ist Lindh weit entfernt. Er hält es mit Joachim Gauck. „Euer Hass ist unser Ansporn“, zitiert er den Altbundespräsidenten. Er werde auch weiter das Gespräch mit Leuten suchen, die seine Meinung nicht teilen. „Aber für alle, die Gewalt für ein probates Mittel der politischen Arbeit halten, werde ich nie Verständnis entwickeln.“