Träger warnen: Wir erreichen 350 gefährdete Kinder nicht
Geld für „Frühe Hilfen“ reicht nicht. Kühn will Bund in Pflicht nehmen.
Wuppertal. Talea, Kevin, die Namen der toten Kinder kennt jeder. Sie starben, weil sie von ihren Eltern vernachlässigt und misshandelt wurden. Damit so etwas nicht wieder passiert, entwickelten die Freien Träger Programme, um frühzeitig auf problematische Familien aufmerksam zu werden. Seit 2012 gibt es ein Gesetz, seither finanziert der Bund „Frühe Hilfen“, ergänzt durch Mittel der Stadt. Aktuell stehen 289 000 Euro zur Verfügung, knapp 23 000 davon zahlt die Stadt. Doch das Geld reiche nicht, warnen die Freien Träger.
Ein breites Netz haben Träger und Stadt geknüpft, um junge Familien mit Problemen frühzeitig zu unterstützen. Dabei arbeiten unter anderem Schwangeren-Beratungen, Familienhebammen, Bildungsstätten, Nachbarschaftsheim und Alte Feuerwache, Diakonie, Caritas und Jugendamt eng zusammen.
Zum Beispiel werden Mütter direkt nach der Geburt in der Klinik besucht, um zu fragen, ob sie Hilfe brauchen. Besuche zu Hause sollen ebenfalls zeigen, ob es Schwierigkeiten gibt. Das Elternbegleitbuch erklärt in acht Sprachen, wo junge Familien Hilfe erhalten. Hebammen und Kinderkrankenschwestern können beim Umgang mit dem Baby helfen und weitere Hilfen vermitteln. Die Winzig-Stiftung kümmert sich um Informationsmaterial und eine Datenbank.
Doch um alle gefährdeten Kinder zu erreichen, reicht nach Ansicht der Träger das Geld nicht: „Es gibt keine kostendeckende Finanzierung“, warnte Gerd Bunk von der Diakonie im Jugendhilfeausschuss. Der Bedarf übersteige das Angebot.
Von den rund 3000 Kindern, die pro Jahr in Wuppertal geboren werden, kämen rund zehn bis 15 Prozent in Familien mit erhöhtem Hilfebedarf zur Welt — etwa 300 bis 450 Kinder pro Jahr. Das Programm erreiche aber nur rund 100. Um alle Mütter ansprechen zu können, sei die Finanzierung von drei bis fünf weiteren Stellen nötig — 200 000 bis 300 000 Euro.
Sozialdezernent Stefan Kühn schlug vor, beim Bund als Gesetzgeber für die Frühen Hilfen mehr Geld einzufordern. Es gab mahnende Stimmen, die Stadt könne sich nicht heraushalten: „Den Kindern ist egal, woher das Geld kommt“, sagte Diakonie-Direktor Martin Hamburger. Caritas-Direktor Christoph Humburg mahnte: „Das ist eine Frage des politischen Willens. Verantwortung haben wir alle.“ Der Ausschuss einigte sich, einen Brief nach Berlin vorzubereiten, dabei andere Kommunen einzubeziehen, um den Druck zu erhöhen.
Martin Hamburger ist klar, dass nicht sofort Geld kommt. Sie hätten die Diskussion anstoßen wollen. „Wir werden das Thema weiterverfolgen.“