Tschernobyl-Hilfe bietet Kindern willkommene Auszeit

Erika Zaun Cross nimmt seit acht Jahren jeden Sommer Kinder aus einer armen Region in Weißrussland auf. Unterdessen kämpfen die Ehrenamtler mit Bürokratie an der Grenze.

Foto: Gerhard Bartsch

Elberfeld. Begeistert packen die Mädchen ein paar Buntstifte aus, malen liebevoll jedes Detail in ihrem Malbuch aus. „Es ist so schön, zu sehen, mit welch kleinen Sachen man ihnen eine Freude machen kann“, lobt Erika Zaun Cross. Mit ihrem Mann Norbert Schrader nimmt sie bereits seit acht Jahren jeden Sommer Kinder der Wuppertaler Hilfe für Kinder von Tschernobyl in Elberfeld auf. „Diese Kinder sind so dankbar — alleine, wenn ich sie bitte, den Tisch zu decken, springen sie sofort voller Freude um den Tisch“, erzählt Erika Zaun Cross. Das Angebot an Obst, Gemüse und Aufstrich verblüfft die kleinen Gäste immer wieder.

Die Kinder genießen den Aufenthalt in Deutschland — sie stammen aus einer extrem armen Region in Weißrussland, die nahe des verunglückten Reaktors in Tschernobyl liegt. „Die Lage dort ist nach wie vor furchtbar desolat“, berichtet die Vereinsvorsitzende Angela Dicke. Im April war sie wieder mit einem Hilfstransport im Land unterwegs und erlebte die Situation hautnah: „Viele haben nicht einmal richtige Decken auf ihren Betten. Und viele Häuser haben kein fließendes Wasser, sondern nur ein Plumpsklo auf dem Hof.“ Mit Tränen der Dankbarkeit in den Augen hätten insbesondere alte Menschen die Hilfsgüter aus Wuppertal angenommen.

Angela Dicke, Vorsitzende von Wuppertaler Hilfe für Kinder von Tschernobyl

Mit vier großen Lastwagen brachte die Hilfsorganisation Sanitärgüter, Lebensmittel und Medikamente zu den von ihr eingerichteten Arzt-Stationen, in Waisenhäuser und zu Privatleuten. Der Staat legte den Ehrenamtlern dabei viele Steine in den Weg. Alleine an der Grenze zu Weißrussland mussten sie viele Stunden lang warten.

Die Kinder aus dem Dorf kennen zu Hause praktisch keine Freizeit. Wenn sie von der Schule nach Hause kommen, müssen sie im Gemüsegarten helfen oder im Wald gegen ein kleines Entgelt Beeren und Pilze sammeln — die oft genug später in deutschen Supermärkten landen. Durch die Strahlenbelastung kämpfen die Kinder besonders häufig mit Infekten; ihr Immunsystem ist geschwächt. In Deutschland blühen sie durch das gute Essen, die frische Luft und die schönen Erlebnisse auf.

Die Tschernobyl-Hilfe organisiert Ausflüge zum Kletterpark Langenberg, Schloss Burg und als Krönung in den Freizeitpark Schloss Beck. Außerdem paddeln die Kinder in Beyenburg, fahren mit der Fahrraddraisine und besuchen die Sternwarte Hochdahl. Doch auch, wenn sie nur den ganzen Tag im Heckinghauser Café Johannis spielen, sind die kleinen Weißrussen völlig zufrieden. „Sie freuen sich, einfach ein Puzzle zu machen, Mensch-ärgere-dich-nicht oder mit Puppen zu spielen“, erzählt Angela Dicke.

In der Kleiderkammer können sich die Kinder und Jugendlichen eine neue Ausstattung aussuchen. Erika Zaun Cross geht mit ihnen außerdem an einem Samstag in die Stadt, um Unterwäsche zu kaufen. Sie achtet aber darauf, die Kinder nicht zu überfordern angesichts des für sie ungewohnten Angebots: „Einen Supermarkt wie bei uns kennen die gar nicht.“ Bald möchte die Familie auch einmal selbst nach Weißrussland reisen, um ihre vielen ehemaligen Besucher in ihrer Heimat zu besuchen. Bis dahin halten sie Kontakt per Facebook.