Uwe Becker will den lokalen Einzelhandel retten
Nur bei Erotikzubehör macht unser Kolumnist eine Ausnahme.
Nun hat auch das Juweliergeschäft Abeler in der Innenstadt schließen müssen. Als mein Sohn noch klein war, standen wir oft vor dem traditionsreichen Gebäude und lauschten dem tollen Glockenspiel. Meine Eltern kauften mir 1963 dort meine erste Armbanduhr und später zur Konfirmation eine Taschenuhr.
Ich erinnere mich auch immer wieder gerne an eine Begegnung mit dem leider 2010 verstorbenen Inhaber Jürgen Abeler. Im Café des Von der Heydt-Museums saß Herr Abeler am Nebentisch und trank eine Tasse Kaffee. Ich überlegte, ob ich den bekanntesten Uhren-Händler der Stadt fragen könnte, „Entschuldigung, können Sie mir sagen, wie spät es ist?“, oder ob er sich dann vielleicht veräppelt fühlen würde. Ich nahm heimlich meine Armbanduhr ab, steckte sie in meine Jackentasche, fasste allen Mut zusammen, stand auf, ging auf Abelers Tisch zu und stellte ihm höflich die Frage nach der Uhrzeit.
Herr Abeler war sichtlich erfreut, blickte auf seinen wunderschönen, sündhaft teuren Chronometer und sagte wörtlich - das werde ich niemals vergessen: „Aber sehr gerne, in exakt zwanzig Sekunden ist es genau 17 Uhr 45!“
Am anderen Tag kaufte ich mir in seinem Geschäft eine Stoppuhr. Ich hätte sie auch im Internet bestellen können, aber diese persönliche Begegnung hatte mich dazu bewogen, darauf zu verzichten, um den inhabergeführten Einzelhandel zu unterstützen.
Außer Lebensmitteln bestellen viele nur noch im Internet, da dürfen wir uns nicht wundern, wenn ein Geschäft nach dem anderen schließt, dafür aber immer mehr Filialen von System-Gastronomie-Ketten eröffnen. Wer soll das eigentlich alles essen? Für mich war und bleibt die fachliche Kompetenz und Beratung von Einzelhändlern und ihren qualifizierten Mitarbeitern immer wichtig.
Begrabt mein
Herz in Wuppertal
Auf einer Party lernte ich mal eine junge Frau kennen, die in einem Schuhgeschäft arbeitete. Ein paar Tage später besuchte ich sie dort und kaufte mir ein Paar Pantoffeln, obwohl ich zuhause eigentlich nur dicke Socken trage. Dieses Schuhgeschäft gibt es heute auch nicht mehr und die junge Frau arbeitet inzwischen in einem Call-Center eines Mobilfunk-Anbieters.
Aber auch in früheren Zeiten, als es noch kein Internet gab, kauften die Leute nicht alles im Einzelhandel. Meine Mutter und eine Nachbarin bestellten oft, bei Kaffee und Kuchen, ihre Blusen und Kleider beim Otto-Versand, statt sie bei Mode Haschi oder C&A in Barmen zu erwerben. Und mein Vater war Mitglied im Bertelsmann-Club. Pro Quartal musste er ein Buch bestellen, verpasste aber fast immer den Bestelltermin. Der Verlag schickte dann einen Vorschlagsband, und so füllte sich unsere Wohnzimmerschrankwand stetig und unschön mit einem Konsalik-Band nach dem anderen.
Ich persönlich kaufe alles in lokalen Geschäften. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Sexspielzeug kaufe ich nur im Internet. Einen Bekannten im Erotik-Fachgeschäft an der Hofaue zu treffen, wäre mir zu peinlich. Es liegt also an uns, das Sterben des Einzelhandels zu verhindern. Ich bemühe mich, dieser Verantwortung nachzukommen.