Wuppertal Vermeintliches Betverbot: Gymnasium rückt bundesweit ins Blickfeld
Trotz des großen Medienechos will sich das Rau-Gymnasium nicht öffentlich äußern. Intern soll nach einer Lösung gesucht werden.
Wuppertal. Es ist ein ziemlicher Sturm, der über das Johannes-Rau-Gymnasium hereingebrochen ist. Medien aus ganz Deutschland stürzen sich auf die Wuppertaler Schule. Ein Echo, mit dem die Schulleitung offenbar nicht gerechnet hat — aber, so Kritiker, hätte rechnen müssen. Der Grund: In einem internen Schreiben hatten Schulleiterin Christiane Genschel und ihr Stellvertreter Rainer F. Kokenbrink am 16. Februar die Lehrer aufgefordert, muslimische Schüler zu belehren, bestimmte religiöse Rituale zu unterlassen (die WZ berichtete).
Seit das Schreiben in diversen Internet-Foren kursiert, wird heftig diskutiert. Innerhalb der Schule, unter Lehrern, unter Schülern, aber auch unter den Eltern und natürlich im Netz. Reporter einer Boulevard-Zeitung sollen auf dem Schulhof versucht haben, Stimmen von Jugendlichen zu sammeln. Andere Schüler sollen T-Shirts mit einem Slogan gegen das vermeintliche Betverbot getragen haben.
Die Schulleitung selbst wollte auch am Donnerstag keine Stellungnahme abgeben. „Wagenburg-Taktik“, wie Kritiker es nennen. Das Sekretariat verwies weiterhin auf die Bezirksregierung. „Das ist so abgesprochen“, sagt Sprecherin Dagmar Groß in Düsseldorf. Auch die Elternpflegschaft wollte sich nicht äußern.
Die Bezirksregierung hatte in einer ersten Stellungnahme die Wortwahl der Schulleitung „unglücklich“ genannt. Groß bekräftigt, dass es der Schulleitung, anders als jetzt oft vorgeworfen, „weniger um ein Verbot, sondern mehr um ein Neutralitätsgebot“ gegangen sei. Konkret sei es um Fälle von „provozierendem Verhalten“ durch das Gebet gegangen. Wie viele Fälle das waren, sei ihr aber nicht bekannt, so Groß. Eine ähnliche Diskussion habe es bislang im Regierungsbezirk auch noch nicht gegeben.
Man begleite jetzt den Dialog mit den Schülern, erklärt Groß, versuche, eine Lösung zu finden. Vielleicht ein Gebetsraum, wie, so heißt es, aus der Schülerschaft gewünscht wurde? „Aufgrund der Vielfalt der Religionen und Glaubensgemeinschaften in der Schule wurde ein Gebetsraum ausschließlich für muslimische Schülerinnen und Schüler bislang nicht eingerichtet“, erklärt Groß nach Rücksprache mit der Schulleitung.
An den Gesprächen beteiligt ist nach eigener Aussage Mohamed Abodahab, Sprecher des Interessenverbands Wuppertaler Moscheen. Der Kontakt bestehe, seit die Schule als eine der ersten in Wuppertal islamischen Religionsunterricht ins Angebot aufgenommen habe. „Wir werden uns zusammensetzen und sachlich über das reden, was vorgefallen ist.“ Er ist zuversichtlich: „Wir werden eine Lösung finden, die alle zufriedenstellt.“
Er bestätigt, dass religiöse Vorschriften im Islam Gebete in gewissen Zeiträumen verlangen — das Mittagsgebet derzeit etwa gegen 13 Uhr. Er selbst, der als Bau-Ingenieur beim Landesbetrieb Straßen NRW arbeitet, nutze dazu die Mittagspause. „Dann gehe ich an einen bestimmten Ort, an dem ich das unauffällig tun kann.“ Dazu gehörten auch die bestimmten Bewegungen wie die Verbeugung: „Das sind wesentliche Bestandteile.“ Es gehe aber nicht darum, Aufsehen zu erregen, sondern um die Beziehung zu Gott.
Jürgen Lemmer, Leiter des Ressorts Integration der Stadt, berichtet, dass bei der Beratungsstelle Wegweiser, die Jugendliche vor der Radikalisierung schützen soll, viele Anfragen eingehen, dass Jugendliche plötzlich auffällig religiös werden: „Meist haben die Jugendlichen dann die Religion für sich entdeckt.“ Und seien dann auch besonders gewissenhaft. Es sei richtig, bei Verunsicherung nachzufragen, gern auch bei der Stadt: „Wir können Brücken bauen — zu Wegweiser oder zum Imam nebenan.“