Offen gesagt Vollständiges Versagen

Selbstverständlich steckt keinerlei Absicht dahinter. Natürlich bereichert sich niemand persönlich an solchen Pannen und Fehlentscheidungen. Aber deren bloße Anzahl ist mittlerweile schon unangenehm bemerkenswert.

Es ist mehr dem Zufall und der Aufmerksamkeit eines Einzelnen zu verdanken, dass die Finanzierungslücke bei den städtischen Bühnen in dieser Woche das Licht der Öffentlichkeit erblickte. So etwas sickert durch, irgendwann tritt es zutage, weil irgendwer das Wasser nicht halten kann und mit seinem Wissen an die Öffentlichkeit muss. Gut so. Denn das Gegenteil wäre weiter so und führte unweigerlich dazu, dass Wuppertal eines Tages gar keine Bühnen mehr hat, schöne Häuser zwar, aber niemanden, der sie noch bespielen kann, mangels Geld, mangels Personal. Deshalb ist es wichtig, dass Fehlleistungen in Rathäusern und kommunalen Betrieben nicht im Geheimen weggebuchhaltert werden, in dem sie einfach nur den ohnehin nicht mehr überschaubaren Schuldenberg erhöhen. Derlei Minderleistungen müssen zu Markte getragen werden. Schließlich geht es um viel Geld, und jeder Cent davon gehörte einst dem Steuerzahler. Im Falle der Bühnen ist nun die Rede von einer Lücke in Höhe von 500 000 Euro. Das ist eine Summe, für die eine Krankenschwester mehr als zehn Jahre arbeiten muss. Irgendwer hat irgendwo vergessen irgendetwas ins Kostenkalkül zu ziehen. Irgendwer hat das irgendwie geprüft und für korrekt befunden. Nun stehen die Bühnen, stehen vor allem deren Mitarbeiter einen Meter vor dem Abgrund. Es sei den Verantwortlichen geraten, den letzten Schritt, also das Abstürzen zu vermeiden. Denn dessen Folgen wären dramatisch für ganz Wuppertal. Eine Stadt ohne Kultur ist eine Stadt ohne Seele und wird eine Stadt ohne Gesellschaft.

Aber die Frage ist: Wem gilt dieser Rat? Wer ist denn verantwortlich? Und was geschieht ihm, wenn er verantwortlich ist und verantwortlich gemacht wurde? Die Antwort ist einfach: nichts. Das Versagen findet schließlich im öffentlichen Raum statt. Die verantwortlichen Geschäftsführer sind mittelbar Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Sie müssen sich vielleicht schämen, möglicherweise werden sie auch degradiert oder gar nicht wieder bestellt. Aber das war es auch schon. In der Regel fallen sie leicht. Vielleicht fällt es ihnen deshalb auch nicht so schwer, Dinge falsch zu entscheiden, sei es bei Wirtschaftsplänen oder auch bei der Besetzung sehr wichtiger Positionen in der Stadt und deren Tochtergesellschaften. In dieser Kategorie ist Wuppertals Schamliste ellenlang. Sie trägt Namen wie Binder, Abredderis und Paschalis, sie kennt Fehlplanungen und Kostensteigerungen in ganz großem Stil. Nur eines kennt sie nicht: Verantwortung. Sie kennt niemanden, der für seine teils mit Pech, teils wider besseres Wissen gemachten Fehler bezahlen muss. Sie kennt stattdessen Kosten, hohe Kosten, teure Pflaster für tiefe Wunden, die oberflächliches Denken und Handeln bei Menschen und Projekten geschlagen haben. Und sie kennt die ewige Wiederkehr desselben. Fehler werden nicht nur gemacht, sie werden auch noch wiederholt.

Sicher, niemand bereichert sich daran, aber jeder Missgriff, jede Fehlplanung, jeder sinnlos hinausgeworfene Cent macht Wuppertal ärmer. Das ist freilich kein Wuppertaler Phänomen. Das gibt es in fast allen Städten. Aber ist das ein Trost?

Nein, ist es nicht. Aber es geht nicht um Rache, es geht nicht darum, jemanden an den Pranger zu stellen. Dafür wären sowieso die sozialen Medien zuständig. Es geht schlicht um die Frage, wie sich Fehler, Fehleinschätzungen und Fehlplanungen minimieren ließen. Ein funktionierendes Kontrollsystem könnte dazu beitragen, vor allem aber mehr Professionalität. Der Konzern Stadt Wuppertal setzt im Jahr 1,4 Milliarden Euro um, und er erweckt zuweilen den Eindruck, von Menschen gelenkt zu werden, denen niemand auch nur seinen Kegelclub anvertraute. Daran wird sich vermutlich nicht viel ändern, solange Funktionen vor allem nach Parteibuch und Proporz, nicht aber nach professionellen Kriterien besetzt werden. Das Ergebnis sind 500 000 Euro bei den Bühnen, fast eine Million für Adolphe Binder, drei Millionen für den Von-der-Heydt-Platz – und 362 000 Wuppertaler, die sich vor so viel vollständigem Versagen in rapide zunehmender Zahl empört abwenden.