Wuppertaler Geschichte Vom Traum einer „Bildung für alle“
Mit der Gründung der Volkshochschule war man in Wuppertal der Zeit voraus.
Wuppertal. „Bildung für alle“ gilt als das größte bildungspolitische Versprechen, das der Gesellschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gemacht wurde. Eine wichtige Rolle war dabei den sogenannten Volkshochschulen zugedacht. Während es zu Beginn der Weimarer Republik ab 1919 einen wahren Gründungsboom solcher Bildungsinstitute für „die kleinen Leute“ gab, war man im Wuppertal offenbar der Zeit wieder einmal deutlich voraus.
Zarte Wurzeln dieser populären Bewegung gab es nämlich bereits in vordemokratischer Zeit: Barmen 1912. Schon zu Kaisers Zeiten bot dort eine „Volkshochschule“ die ersten Kurse für ein erwachsenes Publikum an. Treibende Kraft dieser Pionierleistung in Sachen „Volksbildung“ war der Barmer Gymnasiallehrer und spätere Beigeordnete der Stadt, Julius Gessler.
Die ersten öffentlichkeitswirksamen Auftritte dieser Volkshochschule im Barmer Anzeiger vom 4. Januar 1912 boten dabei eine widersprüchliche Mischung aus vaterländischem Pathos und durchaus modern anmutenden Bildungsgedanken. Das Kursangebot war zwar noch recht dünn, dafür aber die Gebühren moderat: 10 Pfennig pro Stunde — das konnten sich viele Menschen auch in Zeiten knappster Kassen leisten. Bildung für den klammen Geldbeutel — und dies lange vor den späteren demokratischen Aufbrüchen.
Ort des Geschehens: Das Realgymnasium Sedanstraße, wo mehr als 400 Menschen an den ersten Kursen teilnahmen. Diese VHS war eine der frühesten Gründungen in Deutschland, blieb letztlich aber nur eine ambitionierte Vorkriegsepisode. Vermutlich wurden die Aktivitäten bereits bei Kriegsausbruch wieder eingestellt. Nach dem Krieg und dem Untergang des Kaiserreiches gab es dann ein wahres VHS-Gründungsfieber im ganzen Land. Im Wuppertal entstanden gleich vier solcher populären Bildungseinrichtungen: in Elberfeld, Ronsdorf, Cronenberg und in Vohwinkel. In Barmen und Elberfeld schrieben sie zu Weimarer Zeiten Erfolgsgeschichte, machten kostengünstige Kursangebote für 30 Pfennig und erreichten damit viele Menschen (1926 etwa 7000). Besonders wichtig in Zeiten der Wirtschaftskrise: Für Arbeitslose waren die Kurse kostenlos.
In der Krisenzeit am Ende der 20er Jahre wurden die Volkshochschulen dann mit Gründung der Stadt Wuppertal 1929 zusammengefasst und gerieten schon wenig später unter enormen Einsparungsdruck. Ökonomische Zwänge verbanden sich bereits in der Spätphase der Republik mit einem latenten Trend zur ideologischen „Selbstgleichschaltung“: Kritische und pazifistische Akteure wie Dr. Hubert Tigges mussten künftig draußen bleiben, waren als Dozenten nicht mehr gefragt.
VHS-Programme waren gleichsam Seismographen des Zeitgeistes der Krise. Mit der Machtübertragung an die Nazis wurde diese demokratische Bildungseinrichtung dann auch recht zügig „abgewickelt“, das heißt im NS-Sinne im „Bildungswerk der Deutschen Arbeitsfront“ gleichgeschaltet. Widerstand zwecklos. Aus den Erinnerungen des Amts enthobenen, damaligen Leiters Otto Romünter geht hervor, dass man sich eher still und resigniert zurückgezogen hat. Der Rest war dann buchstäblich Schweigen.