Wirtschaft Neuer Thermomix entwickelt sich zum Renner in China

Wuppertal · Umsatz der Vorwerk Gruppe war 2018 rückläufig. 500 Millionen Euro werden am Standort Laaken und in die Digitalisierung investiert.

Reiner Strecker (l.) und Hendrik Wehr vor dem neuen Forschungs- und Entwicklungszentrum.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Die Vorwerk Gruppe ist nach einem durchwachsenen Geschäftsjahr 2018, das einen leichten Rückgang beim Geschäftsvolumen (3,6 Milliarden Euro) und Konzernumsatz (2,8 Milliarden Euro) brachte, hoffnungsvoll ins Jahr 2019 gestartet. Umsatzlokomotive in den ersten vier Monaten ist der Thermomix TM6, der vor allem in China für eine steigende Nachfrage sorgt. Vorwerk will in China den Jahresumsatz auf 200 Millionen Euro mehr als verdoppeln.

Ein „Renner“ wie der TM6 auf dem asiatischen Markt käme für die Wuppertaler zum richtigen Zeitpunkt, denn die Vorwerk Gruppe verspürt im Wandel vom „Meister der Elektrotechnik“ zum „digitalen Meister“ Erfolgsdruck. Geräuschlos verlief der Modellwechsel in Deutschland nicht, denn es gab Proteste von Kunden, die kurz zuvor noch den TM5 erworben hatten. Angaben zu den verkauften Stückzahlen des TM6 in Deutschland macht Vorwerk wie auch zu anderen Produkten nicht. Bei dem Modellwechsel handele es sich um einen nach fünf Jahren ganz normalen Vorgang.

„Wir haben bereits vor mehreren Jahren damit begonnen, massiv und aus eigener Kraft in unsere Infrastruktur sowie in digitale Geschäftsmodelle zu investieren. Insgesamt wird uns diese Neuausrichtung des Geschäfts bis zu 500 Millionen Euro kosten“, sagte Reiner Strecker, persönlich haftender Gesellschafter der Vorwerk & Co. KG.

Die Jahrespressekonferenz der Vorwerk Gruppe fand in dem neu gebauten Forschungs- und Entwicklungszentrum am Wuppertaler Produktionsstandort Laaken statt, wo in einer Bauzeit von zwei Jahren auch das neue Motorenwerk entstanden ist. Beide Neubauten trennt nur die Wupper, die auf einer Länge von 1100 Metern vom Wupperverband und Vorwerk renaturiert worden ist. Bis zum Sommer soll der Umzug in das Forschungs- und Entwicklungszentrum vollzogen sein, die vollständige Inbetriebnahme des Motorenwerks ist mit der Verlagerung von 300 Maschinen bis zum Ende dieses Jahres geplant.

Küchengeräte mit
Erlebnisqualität

Der Umbau der Vorwerk Gruppe beschränkt sich nicht auf Immobilien, sondern vollzieht sich vor allem im digitalen Bereich. „Was früher eine Kochmaschine war, ist heute ein Computer mit Kochfunktion. Die Kosten für diese Digitalisierung werden aber nicht 1:1 an den Kunden weitergegeben. Heute verkaufen wir ein Erlebnis, früher haben wir Hardware verkauft“, beschreibt Reiner Strecker den rasanten Wandel.

Hendrik Wehr, Geschäftsführer Produktion des Bereichs Engineering, nennt dazu als Beispiel die Weiterentwicklung des Thermomix, der 2018 weltweit mit 1,1 Milliarden Euro für den größten Anteil am Gesamtumsatz sorgte. Es folgen der Kobold (757 Millionen Euro), Jafra Cosmetics (336 Millionen Euro, Marktführer in Mexiko) und Neato Robotic (62 Millionen Euro, Saugroboter). Die akf-Bankengruppe verzeichnet 1,3 Milliarden Euro Umsatz (Neugeschäft). „Die Kunden nehmen ein Produkt wahr, das einfach und komfortabel ist. Dabei hat die Komplexität der Produkte und Prozesse enorm zugenommen“, sagt Hendrik Wehr. Ein Beispiel: der Thermomix 6 kommt auf 200 000 sogenannter Codezeilen, deren Anzahl einen Hinweis auf die Komplexität der programmierten Software gibt. Zum Vergleich: Die Programmierung im Space Shuttle brachte es „nur“ auf 400 000 Codezeilen. Der Rechner des TM6, der wesentlich kleiner als ein Bordcomputer ausfällt, ist daher mit einem Kühlsystem ausgestattet.

1,25 Millionen Besitzer eines Thermomix sind Mitglied der Rezept-Plattform Cookido, bei steigender Tendenz. Die Verbindung des Thermomix mit der digitalen Welt gelang Vorwerk im ersten Anlauf beim Temial-Teegerät nicht. Die Verkaufszahlen des Temial bleiben vermutlich sehr deutlich hinter den Erwartungen zurück. Verkaufszahlen nennt Vorwerk nicht. „App und Steuerung funktionieren aber jetzt einwandfrei. Wir werden das Produkt noch einmal launchen“, kündigte Reiner Strecker an. Im ersten Anlauf auf dem Weltmarkt konnte Temial den Tee nur „analog“ kochen.

Die Digitalisierung sei kein Programm zum Stellenabbau, erklärte Strecker. 350 Stellen sollen aber sozialverträglich abgebaut werden. Vorwerk hat 12 972 Beschäftigte. In 80 Ländern sind knapp 624 000 Menschen für Vorwerk tätig, darunter 611 000 als selbstständige Berater.