Wenn Sie die zu Ende gehende Spielzeit 18/19 kurz zusammenfassen sollten, was würden Sie sagen?
Wuppertaler Sinfonieorchester „Wichtig ist, dass die Musik ankommt“
GMD Julia Jones spricht über gute Konzerte und das Publikum.
Julia Jones: Es ging alles wahnsinnig schnell vorbei. Wenn man innerhalb weniger Wochen eine Opernpremiere, Sinfoniekonzerte, Schulkonzerte und „Uptown Classics“-Konzerte vorbereitet und ausführt, rast die Zeit vorbei. Man hat kaum Zeit, nachzudenken. Sobald das Konzert vorbei ist, beginnt man am Tag danach, an anderen Werken zu arbeiten. Aber so ist unser Beruf. Manchmal ist die Vorbereitungszeit knapp und man denkt, das werden wir nie schaffen, aber wenn alle an einem Strang ziehen, bekommt man auch tolle Ergebnisse.
Hat die neue Spielzeit eine Art Motto?
Jones: Nicht wirklich, es sei denn, man kann in 2020 Beethoven als Motto nehmen! Jedes Konzertprogramm hat aber dramaturgische Zusammenhänge, und es gibt Verknüpfungen zwischen den Programmen – oder zwischen einem Sinfoniekonzert und einem Konzert der Reihe „Uptown Classics“. Die Spielzeit beginnt mit Chaos (Joseph Haydn: „Die Vorstellung des Chaos“). Aus Chaos entsteht Ordnung. Später in der Spielzeit – im 9. Sinfoniekonzert – entdecken wir wieder Chaos (in einem Werk von Jean-Philippe Rameau).
Was liegt Ihnen im neuen Programm am meisten am Herzen?
Jones: Ich freue mich sehr auf die erneute Zusammenarbeit mit dem Cellisten Alban Gerhardt. Er wird gleich zwei große Cellokonzerte spielen. Darüber hinaus gibt es weitere fantastische Solisten wie Kerson Leong (Violine), Catriona Morrison (Mezzosopran) und unserem 1. Konzertmeister Yusuke Hayashi, der das Violinkonzert von Beethoven spielen wird. Außerdem freue ich mich darauf, mit dem Orchester nach Lissabon zu fahren, um alle fünf Klavierkonzerte Beethovens mit Artur Pizarro aufzuführen. Das wird ein tolles Erlebnis. Und die Begegnung mit dem neuen Auftragswerk von Lutz-Werner Hesse wird ein absoluter Höhepunkt sein.
Kommt Ihre Programmmischung alt – jung, viel gespielt – wenig gespielt an?
Jones: Ich habe bisher sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, worüber ich mich sehr freue. Es gab bis jetzt wenig Beschwerden. Eine Person fand es zum Beispiel nicht so gut, dass ich ein Konzert mit „schrägen Tönen“ von Henri Dutilleux begonnen hatte, obwohl gleich danach eine Mozart-Sinfonie erklang. Aber jeder darf seine Meinung nicht nur haben, sondern auch äußern, das ist mir wichtig. Ich freue mich über jede Rückmeldung, die ich bekomme und erfahre dadurch auch mehr über unser Publikum. Ich mache weiter mit dieser Mischung. Ich verbinde alte Werke mit neuen und programmiere auch gerne groß besetzte Stücke gemeinsam mit klein besetzen. So kann ich die ganze Vielfalt und die Kontraste des klassischen Musikrepertoires unterstreichen. Im 9. Sinfoniekonzert spielen wir beispielsweise sowohl französische Barockmusik als auch Musik des 20. Jahrhunderts.
Das Format „Uptown Classics“ hat sich etabliert.
Jones: Das ist mein Format und die „Uptown Classics“ liegen mir sehr am Herzen. Ich wollte unbedingt an verschiedenen Orten in der Stadt spielen, um mehr Menschen in Wuppertal mit klassischer Musik zu erreichen. Am Anfang wussten wir nicht, wie die Reihe in der Stadt ankommen wird. Wir spielten zunächst vor rund 50 Zuhörern. Zuletzt waren etwa 200 Menschen dabei und egal wo wir auftreten, es werden immer mehr Besucher. Wir spielen eine Stunde klassische Musik, meist aus früheren Epochen, weil wir in kleiner Besetzung auftreten, und entdecken dabei ein ganz tolles Repertoire, das leider sonst keinen Platz im großen Konzertsaal findet.
Was tun Sie, um die Jugend für Klassik zu begeistern?
Jones: Das Sinfonieorchester Wuppertal bietet seit vielen Jahren ein tolles Educationprogramm in der Stadt an. Ich habe mich in meinen Vertrag verpflichtet, Familien- und Schulkonzerte zu dirigieren, weil es mir sehr am Herzen liegt, jungen Menschen die Gelegenheit zu geben, klassische Musik live zu erleben.
Haben Sie Wünsche, die noch offen sind?
Jones: Ja, es gibt schon ein paar Wunschwerke, wie zum Beispiel die Turangalîla-Sinfonie von Olivier Messiaen, die ich gerne in Wuppertal aufführen möchte. Ich glaube, dieses Werk wurde noch nie in Wuppertal gespielt. Benjamin Brittens „War Requiem“ und Gustav Mahlers 2. Sinfonie fallen mir auch ein, aber diese Stücke sind sehr groß besetzt und deswegen entsprechend teuer. Aber es ist egal, welches Stück man spielt, am Ende kommt es darauf an, wie etwas aufgeführt wird. Das Publikum spürt, wenn es eine tolle Aufführung erlebt. Auch bei Stücken, die es nicht kennt. Die Intensität, die Leidenschaft, die Emotionen – all dies möchte ein Publikum spüren, wenn es ins Konzert geht.