Energie Wärmewende in Wuppertal: „Ambitioniert, aber machbar“
Wuppertal · In der Alten Feuerwache wurde über klimaneutrales Heizen und grünen Strom diskutiert.
Wärmewende in Wuppertal – wie kann das gelingen? Diese Frage stand jüngst in der Alten Feuerwache an der Gathe im Mittelpunkt. Eingeladen hatte der Wuppertaler Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen, und deren Sprecher, Franziska Truse und Marcel Gießwein, sehen ihre Veranstaltung angesichts der Weltlage – mit einem Krieg im Osten Europas und immer knapper werdenden Ressourcen im fossilen Bereich – wohl nicht zu Unrecht thematisch ganz nah am Puls der Zeit.
Dazu hatten sie ein entsprechendes Podium zusammengestellt: Arno Minas vertrat als zuständiger Dezernent die Stadt. Markus Hilkenbach sprach als Vorstandsvorsitzender für die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) und Klaus Lüdemann war als Fraktionsmitglied der Grünen im Wuppertaler Stadtrat sowie als Mitglied des WSW-Aufsichtsrats Energie & Wasser geladen. Das erste Wort im Podium aber hatte Björn Uhlemeyer, der als promovierter Ingenieur und Mitarbeiter der Bergischen Universität erst einmal erläuterte, was es mit der kommunalen Wärmeplanung auf sich hat, mit der auch die Stadt Wuppertal verpflichtet werden soll, darzulegen, wie bis 2030 die Hälfte der Heizenergie klimaneutral werden kann.
Die 50-Prozent-Quote
wird verpflichtend
Derzeit liegt der Erneuerbare-Energien-Anteil bei der Stromnutzung in Wuppertal bei 44 Prozent, im Bereich Heizen bei 17 Prozent, wie Uhlemeyer darlegte. Angepeilt bis 2030 sind beim Strom indessen 80 Prozent, beim Heizen eben 50 Prozent. Insgesamt also ein mehr als sportliches Anliegen, das nur gesamtgesellschaftlich zu stemmen sei, wie der Ingenieur betonte. Als größte Herausforderung dabei sieht er, dass auf die Planerstellung auch tatsächlich eine Umsetzung folge. „Das darf kein Papier bleiben und wir dürfen nicht in eine Starre verfallen.“
Arno Minas sieht den Zeitrahmen für die Erfüllung der 50-Prozent-Quote für die Erneuerbaren Energien beim Heizen sehr kritisch. Er verweist auf örtliche Besonderheiten wie die Topographie und die „Polyzentralität“ (mehrere Stadtzentren) Wuppertals. Man dürfe kein Wolkenkuckucksheim bauen. Markus Hilkenbach sieht die Ausgangslage der Wuppermetropole positiver. Anders als etwa in Dortmund oder Essen befänden sich die Bereiche Strom und Gas in einer Hand, nämlich angesiedelt bei den WSW, die sich nun auch für die Kommunale Wärmeplanung bewerben wollen, wie der Vorstandschef sagte. Der Stadtverordnete Klaus Lüdemann sieht derweil den Beteiligungsprozess als schwierigsten Part der Wärmeplanung. „Das darf nicht im kleinen Kreis im Hinterzimmer entschieden werden.“
Die Möglichkeiten zur Einbeziehung der Bürger seien vorhanden und vielfach gerade in der Coronazeit erfolgreich ausgearbeitet worden, so Minas weiter. In der Stadtverwaltung habe man schon früh erkannt, dass die Wärmeplanung zur kommunalen Pflichtaufgabe werden würde und auch einen Förderantrag auf den Weg gebracht. Nun ticke die Uhr. Denn Pflichtaufgaben der Stadt seien nicht förderfähig und man hoffe, dass der Förderbescheid noch vor der Gesetzesverabschiedung kommt. Minas: „Denn wenn die Wärmeplanung verpflichtend wird, findest du auf Jahre kein Büro mehr.“
Markus Hilkenbach hadert indessen mit dem Gedanken, ob die bürokratischen Prozesse in Deutschland dem hehren Ziel nicht womöglich im Wege stehen, und verweist auf die denkmalpflegerischen Auflagen, die den Fernwärme-Arbeiten in der Elberfelder City eine Verzögerung um mindestens sieben Jahre bescheren. „Wenn wir überall so viel Zeit verlieren wie in Elberfeld, dann sehe ich schwarz, dann schaffen wir die Energiewende in den Städten nicht.“ Und wenn er von seinem Arbeitszimmer auf das umliegende Quartier am Rott blicke, kommen ihm Zweifel, ob alle am Kabinettstisch und in Planungstuben ersonnenen Ideen es auch in die Umsetzung vor Ort schaffen. Auch Arno Minas, von Hause aus Jurist, weiß um die Normierungslust der Deutschen und sagt augenzwinkernd: „Wenn wir 50 Prozent der Gesetze morgen außer Kraft setzen, würde vieles einfacher funktionieren.“
WSW-Chef will eine
Gut-Böse-Rhetorik vermeiden
Den mit Wärmepumpen verbundenen Optimismus mancher Zeitgenossen dämpft der WSW-Chef auf Wuppertaler Verhältnisse runter. Für den Einsatz der Geräte im großen Stil müsste die Stromleistung im Stadtgebiet verdoppelt werden, so Hilkenbach. Der Aufwand dafür werde immens. Dem Eindruck einer Besucherin, dass die Infoveranstaltung einen doch sehr resignierten Ton habe, begegnete Dezernent Minas mit dem Motivationssatz: „Die Ziele sind sehr ambitioniert, aber erreichbar. Allerdings dürfen wir das Gebäudeeffizienzgesetz jetzt auch nicht weichspülen.“ Konzernchef Hilkenbach klingt weniger hoffnungsfroh, will aber jedenfalls weg von „einer Gut-Böse-Rhetorik“ und parteipolitischen Belangen hin zu „einem offenen Diskurs“ über realistische Ziele und plädiert für „vernünftige Lösungen“, die für möglichst viele Menschen tragfähig und tragbar sein sollen.