Klezcolors Ausstellung: „Sage nie, du gehst den letzten Weg“
Mit dem letzten Klezcolours-Festival holt Roswitha Dasch eine Wanderausstellung über die Vernichtung der Juden in Litauen ins Rathaus.
Fans des Klezcolours-Festivals wissen: Roswitha Dasch kennt und liebt jiddische Musik. Nah fühlt sich die Wuppertalerin auch jüdischen Menschen im Baltikum. Anfang der neunziger Jahre lernte sie in der litauischen Hauptstadt Vilnius ehemalige Ghetto- und KZ-Häftlinge kennen und musste erfahren, dass diese meist in Armut leben. Dem Erschrecken darüber ließ Dasch Taten folgen. Zurück in Deutschland sammelte sie Spenden. 1997 gründete sie den Verein „Mizwa – Zeit zu handeln“. Dieser finanziert bis heute Medikamente und Heilbehandlungen für die Holocaust-Überlebenden und übernimmt die Kosten für einen mobilen Pflegedienst.
Zur Geschichte der Judenvernichtung in Litauen hat die Musikerin zudem die Ausstellung „Sage nie, Du gehst den letzten Weg“ erarbeitet. Diese zeigt Schwarz-Weiß-Porträts von Überlebenden, die der Fotograf Antanas Sutkus aufgenommen hat. Schautafeln informieren über die historischen Hintergründe. Die Wanderausstellung ist jetzt im Lichthof des Rathauses Barmen zu sehen – passend zur Eröffnung der letzten Klezcolours-Ausgabe. Nach fast zwanzig Jahren und dem Tod ihrer Duopartnerin Katharina Müther hat Dasch entschieden, die Konzertreihe abzuschließen.
Was bleibt, sind die ausdrucksvollen Schwarz-Weiß-Bilder. Klara und Leo, Grigorijus und Maja – die Porträtierten tragen deutsche, litauische und russische Namen. Manche blicken nachdenklich, manche lächelnd in die Kamera. Sie alle waren junge Leute, als die deutsche Wehrmacht Litauen besetzte und ihre Verfolgung begann. Sie überlebten in Verstecken oder bei den Partisanen im Wald.
Aktueller Bezug durch
den Anschlag in Halle
Sie habe nicht vermutet, sagte Dasch am Eröffnungsabend, dass die Foto-Schau wieder so einen aktuellen Bezug bekomme. Der Anschlag auf die Synagoge in Halle hat sie vom Gegenteil überzeugt. Angesichts von sechs Millionen ermordeten Juden machten die Bilder die Geschichte „greifbar“. „All die Menschen, die Sie hier sehen, sind Einzelschicksale“, erklärte sie – und berichtete von den Überlebenden, denen sie selbst schon begegnet ist. „Es sind diese Menschen, die ein Stück von meinem Herzen bekommen haben.“ Am Herzen liegt Dasch, dass es nicht beim Erinnern bleibt. „Seid wachsam, nehmt nicht alles hin“, forderte sie ihre Zuhörer auf. Die in Deutschland „hart erkämpfte Demokratie“ dürfe nicht ihren Gegnern überlassen werden. Trotz bedenklicher politischer Entwicklungen zeigte sich die Rednerin optimistisch. „Wir haben eine Zukunft, die wir gestalten können.“
Der prominenteste Gast der Vernissage war OB Andreas Mucke, der kurzentschlossen ans Rednerpult trat. „So voll sehe ich den Lichthof selten“, stellte er fest und blickte in die große Runde, für die noch ein paar Extra-Stühle aufgebaut wurden. Seine Rede knüpfte an Daschs Worte an. Der Holocaust mahne, und „wir erleben fast täglich, dass Mahnung nötig ist.“ Das Auftreten von „rechten Hetzern“ zeige, „dass wir Flagge zeigen müssen.“ Mucke schlug den Bogen von Halle nach Wuppertal. „Wer bei uns Mitglieder der jüdischen Gemeinde angreift, der greift uns alle an.“
Für den Freundeskreis Beer Sheva, dem Dasch freundschaftlich verbunden ist, sprach Arno Gerlach. Die Porträts der Überlebenden gingen ihn persönlich an. In den Jahren des Genozids, so Gerlach, „nicht weit von der Grenze zu Litauen, wurde ich geboren“. Er erinnerte an den jungen Dichter Hirsh Glick, der in den Schreckensjahren „Sage nie, Du gehst den letzten Weg“ schrieb. Das Gedicht, das die jüdischen Partisanen sangen und das der Ausstellung den Titel gibt.
Musik war in Ghettos und KZs Überlebensmittel. Einige dieser jiddischen Melodien spielte ein Dutzend Schüler der Bergischen Musikschule. Begleitet wurde das junge Ensemble von Andre Enthöfer auf der Klezmer-Klarinette und Dasch an der Gitarre. Zum Abschluss gab es ein Lied, das sich den Frieden herbeiwünschte – für alle Kinder, für alle Menschen.