Begrabt mein Herz in Wuppertal Was ein Weihnachtsgeldminister mit dem Tanztheater zu tun hat
Wuppertal · Uwe Becker macht sich Gedanken über die verschuldeten Städte.
Mein traurigstes Weihnachtsfest erlebte ich 1973, da ich bedauerlicherweise eine gute Woche später meinen Wehrdienst antreten musste. Mich tröstet heute die Tatsache, dass ich mit dazu beitragen durfte, dass der Dritte Weltkrieg noch nicht stattfand. Noch trauriger als meine damals leider nicht zu vermeidende Abreise in die Hansestadt Lübeck war allerdings die Tatsache, dass meine Großmutter mich und alle anderen Familienmitglieder aufgrund ihrer Altersdemenz nicht mehr erkannte. Für einen 19-Jährigen war das ein sehr schockierendes Erlebnis. Meine Oma verstarb dann in der ersten Januarwoche des neuen Jahres, was wiederum zur Folge hatte, dass ich zwei Tage Sonderurlaub bekam und die schreckliche Schießbude an der Trave für zwei Tage verlassen konnte.
Heute ist übrigens, ich habe gerade nachgerechnet, mein 66. Heiligabend! Wenn das kein Grund zum Feiern ist – und auch noch eine Schnapszahl. Aber verrückt, oder? Okay, beim ersten Mal war ich knapp drei Monate alt, da weiß ich nicht mehr, was ich geschenkt bekam, aber ab 1955, da könnte ich hier alle Geschenke auflisten, die ich bis 2018 bekommen habe. Aber keine Angst, warum sollte ich das tun, wen interessiert’s schon, dass ich 1957 eine Eisenbahn aus Holz bekam? Oder 1962 einen Kicker – mein liebstes Weihnachtsgeschenk überhaupt und aller Jahre. Ach ja, lassen wir das, die alten Zeiten, gleich weine ich noch, braucht kein Mensch!
Ab einem bestimmten Alter wünscht man sich nichts mehr zu Weihnachten, meistens wohnt man dann auch nicht mehr bei den Eltern, hat eine eigene Wohnung oder ist gar schon verheiratet. An Heiligabend geht man in der Regel zu Vater und Mutter, beladen mit nicht ganz so teuren Geschenken und der Hoffnung, der Umschlag, den der Vater einem zusteckt, beinhaltet eine Summe, die im hohen dreistelligen Bereich angesiedelt ist.
Inzwischen bin ich, nicht mehr Kind, auf der anderen Seite angekommen. Ich bin jetzt selber Vater und mein Sohn bekommt auch einen Umschlag. Allerdings verdient er inzwischen schon mehr als ich, ist also finanziell glänzend aufgestellt, wie man heute zu sagen pflegt, was die Sache irgendwie unlogisch macht. Wer weiß, es könnte ja passieren, dass er einen Umschlag für mich bereit hält. Es bleibt spannend.
Ich bemerke gerade, ich bin noch gar nicht dazugekommen, meine rührende Weihnachtsgeschichte zu erzählen, ach, schauen Sie eigentlich alle auch jedes Jahr „Der kleine Lord“? Ich auch, aber nur die Originalversion mit Alec Guinness in der Hauptrolle. Kommen wir nun zur bewegenden Wuppertaler Weihnachtsgeschichte: In einem kleinen, miefigen Büro in Berlin sitzt ein noch kleinerer SPD-Weihnachtsmann und macht sich Gedanken über die hochverschuldeten Städte und Kommunen Deutschlands und wie er einigen davon eine große Freude bereiten könnte. Leider hat der Weihnachtsgeldminister keine guten Geschenk-Ideen. Den Gedanken, allen Rathäusern Kaffeemaschinen zu schenken, verwirft er direkt, weil er denkt, die ganzen Frauen und Männer dort in den Amtsstuben trinken ja anscheinend den ganzen lieben langen Tag nur Kaffee, sonst wären sie nicht so hoch verschuldet. Plötzlich geht die Türe auf, ein blonder Engel tritt in sein Büro und spricht: „Höret, alter weißer Mann, wie wär’s, wenn du die ärmsten Städte und Kommunen von ihren Fesseln befreist und ihnen ihre Schulden erlässt?“ Der sozialdemokratische Weihnachtsmann findet die Idee seiner Sekretärin großartig, zumal sie weiter ausführt, dass die Umschichtung von Schulden auf den Bund keine Auswirkungen auf die Maastricht-Kriterien hätte, weil es sich um bereits vorhandene Schulden handelt. Der Weihnachtsminister strahlt vor Glück und macht sich direkt ans Werk, die glücklichen Gewinner zu bestimmen. Hier endet die Geschichte.
Nun, ich will hoffen, dass Wuppertal dazugehört. Bedenken hätte ich allerdings, ob unser Kämmerer Johannes Slawig mit der gewonnen Freiheit der verlorenen Schuldenlast vernünftig umgehen könnte. Am Ende stellt er noch im Überschwang der Gefühle vier oder fünf zusätzliche Intendantinnen für das Tanztheater Pina Bausch ein – zwei reichen eigentlich. Frohe Weihnachten!