Soziales Was Studenten im Wuppertaler Kinderhaus lernen: „Man muss dranbleiben!“

Angehende Lehrerinnen und Lehrer sammeln wertvolle Erfahrungen im Kinderhaus Luise Winnacker. Durch Arbeit mit Kindern aus schwierigen Verhältnissen wachsen nicht nur die Kinder.

Annika Heldmann und Nicolas Benedik vor dem Kinderhaus.

Foto: Fischer, Andreas

Mit einem Studentenjob im Kinderhaus Luise Winnacker sammeln angehende Lehrerinnen und Lehrer wertvolle Erfahrungen. Denn hier kümmern sie sich um Kinder von Förderschulen, die aus schwierigen Verhältnissen stammen. Im Freiraum des Kinderhauses können die Studierenden ihre Fähigkeiten trainieren, mit herausfordernden Situationen umzugehen, und erleben, welche positive Entwicklung die Kinder machen können. Die Studierenden Nicolas Benedik (22) und Annika Heldmann (29) erzählen von ihren Erfahrungen.

Seit sechs Jahren arbeitet Annika Heldmann, die Lehrerin für Biologie und Kunst werden will, im Kinderhaus. Anfangs war es für sie einfach eine interessantere Aufgabe als ein Aushilfsjob im Supermarkt. Inzwischen weiß sie, dass sie im Kinderhaus viel gelernt hat: „Ich glaube, dass ich anders auftrete, meine Grenzen anders setze.“

Sie hat sich von den Lehrerkollegen, die die Kinder begleiten, viele Methoden abgeguckt. Und habe einen anderen Blick auf Kinder allgemein entwickelt: „Ich sehe auch im Schulalltag, wenn Kinder etwas beschäftigt.“ Sie sehe mehr Potenziale in den Kindern – ganz im Sinne von Kinderhaus-Gründerin Lieselotte Winnacker Spitzl. Die ehemalige Lehrerin kann viele Geschichten erzählen über Kinder, die durch unangepasstes Verhalten auffallen, in denen aber viele Fähigkeiten stecken, die entdeckt werden können.

Nicolas Benedik will Lehrer für Sport und Deutsch werden. Er lernte das Kinderhaus im Frühjahr 2022 bei einem Seminar über Erlebnispädagogik kennen und blieb. Er schätzt die Herausforderung: Ein Kommilitone arbeite an einer Schule, „da sind alle brav. Hier gibt es Widerworte, du musst Wege finden, damit umzugehen“. Dabei könne man sich „super ausprobieren“, auch bei der Gestaltung des Tages.

Die halben Tage für die Kinder haben dennoch eine Struktur: Erst toben sie sich im „Sockenraum“ mit Matten und mit Schaumstoffteilen aus, danach sind unterschiedliche Aktivitäten möglich. Meistens geht es hinaus ins Gelände des Kinderhauses, wozu auch Wald gehört. Den Stadtkindern Naturerfahrung zu ermöglichen, ist ein wichtiges Ziel. Sie spielen Fangen, machen eine Schatzsuche oder sammeln Material zum Basteln. Mal wird Fußball gespielt, mal dürfen die Kinder sich selbst beschäftigen, mal helfen sie beim Kochen oder der Versorgung der Hühner des Kinderhauses.

Die Kinder wachsen
den Studierenden ans Herz

Weil die Kinder von Lehrern und Inklusionshelfern begleitet werden, gibt es einen guten Betreuungsschlüssel – was hilft, allen Kindern auch in schwierigen Situationen gerecht zu werden. Die kommen vor: „Letzte Woche hat sich eine Gruppe fast geprügelt“, berichtet Annika Heldmann. Sie hätten die Streithähne trennen können, nach einer Beruhigungsphase sei ein Gespräch möglich gewesen. Sie weist darauf hin, dass im Kinderhaus Platz ist für solchen räumlichen Abstand, der Rest der Gruppe in Stresssituationen weitermachen kann. „In der Klasse wäre das viel schwieriger.“

Für Nicolas Benedik war besonders ein Erlebnis berührend, als ein Junge weinend aus dem Sockenraum kam und nicht sprechen wollte. Er habe sich daneben gesetzt, dem Jungen gut zugeredet. Und schließlich erreicht, dass dieser seinen Ärger über einen anderen Jungen erzählte. Der kurz danach dazu kam, bereit war, sich zu entschuldigen. „Früher hätte ich vielleicht aufgegeben“, sagt er. Das hat er nicht: „Man muss dranbleiben. Ich habe beigetragen, dass sie sich vertragen haben“, freut er sich.

Beide Studierende genießen, was sie von den Kindern zurückbekommen. „Die wachsen einem so ans Herz, das gibt einem was“, sagt Nicolas Benedik. Annika Heldmann erzählt von spontanen Umarmungen und freut sich an Fortschritten der Kinder, wenn sie etwa im Umgang mit Pferden mutiger werden oder bei Stress nicht gleich ausrasten.

Auch wenn sie viel ausprobieren können, so erhalten die jungen Pädagogen auch Unterstützung von den Lehrkräften der Schüler und von Lieselotte Winnacker-Spitzl. Sie spricht mit ihnen besondere Situationen durch und macht mit Erzählungen von eigenen Erfahrungen Mut, auch in schwierigen Kindern die Talente und Fähigkeiten zu sehen. In einem kleinen pädagogischen Leitfaden ist ihr Hauptziel fett gedruckt: „Über allem steht die Wertschätzung aller Kinder und Jugendlichen. Betrachte die Suche nach den Stärken der Kinder als eine Herausforderung von fundamentaler Bedeutung.“