Wenn jeder still ist, erzählt die Musik die Geschichten
Geschichten aus 1001 Nacht.
Wuppertal. Sonntags in aller Frühe hinein in den kratzigen Anzug und dann endlose Langeweile im Konzertsaal — früher war nicht alles besser, schon gar nicht für die Kinder kulturbeflissener Eltern. Viel entspannter sieht es dann auch in der Historischen Stadthalle beim Sinfoniekonzert unter Leitung von Toshiyuki Kamioka aus. Während unten im Großen Saal Eltern und Großeltern Maurice Ravels „Tombeau de Couperin“ lauschen, stimmt Raphael Amend oben im Majolikasaal zwei Dutzend Kinder auf ein ganz anderes Stück ein.
„Ich bin der Sultan und habe die Macht hier — nur ich.“ Dieser Satz steht felsenfest im Raum und vermittelt — auch wenn er nur Teil der Geschichte von „Scheherazade“ ist —, auf subtile Weise, dass jetzt getrost mal jeder still sein darf. Da Raphael, nur seinen Vornamen auf einen Aufkleber geschrieben hat, verrät er aber unterschwellig, dass es bei ihm längst nicht so despotisch zugeht wie am Hof im fernen Morgenland.
„Ohrenkitzel im Sinfoniekonzert“ heißt die musikpraktische Konzerteinführung für Kinder ab sechs Jahren. Amend, der an der Wuppertaler Hochschule Musikpädagogik studiert hat, lässt die Kinder zuschauen, wie er auf dem Xylophon die Melodie des Sultans spielt. Und auf einmal erscheint hinter einer Folge von Tönen die Geschichte aus 1001 Nacht.
Martin und Helena dürfen die Melodie nachspielen und sich damit in die Rolle des Sultans einfühlen: „Ich hab hier die Macht.“ Das bereitet Freude und animiert die anderen Kinder, sich auf Sindbads Schiff zu begeben und mit Instrumenten das tosende Meer zu spielen. Auf einmal taucht eine Insel auf, doch in Wahrheit handelt es sich um einen riesigen Wal.
Klappe, Gong, Becken — alles scheppert. Schluss, denn das ist dem Sultan doch zu viel der ungereimten Geschichten. Scheherazade darf in der nächsten Nacht von einer neuen Begebenheit erzählen. Vier Geschichten aus 1001 werden die Kinder dann selbst im großen Konzertsaal hören. Allerdings wird sie nicht in Worten erzählt, sondern dann nur noch in Musik. Die hat ein Mann geschrieben, dessen komischen Namen Raphael gar nicht erst erwähnt, denn sowas kann man sich sowieso nicht merken: Nikolai Rimski-Korsakov.