„Wir kämpfen gegen das Vergessen“

Antje Birthälmer, stellvertretende Direktorin des Von der Heydt-Museums, über die kommende Ausstellung zum bedeutsamen Spätexpressionisten Jankel Adler.

„Wir kämpfen gegen das Vergessen“
Foto: Stefan Fries

Es riecht nach frischer Farbe, an den Wänden schließen sich letzte Lücken, in der Mitte des hohen Raums stapeln sich Kisten, werden Bilder vorsichtig ausgepackt. Die neue große Austellung im Von der Heydt-Museum biegt in die Zielgerade ein. Ab 17. April dreht sich alles um „Jankel Adler und die Avantgarde“. Warum der polnische Spätexpressionist (1895 bis 1949) keine Neuentdeckung ist, was er mit Else Lasker-Schüler zu tun hat und was eine Ausstellung mit intensiver Recherche, erzählt die stellvertretende Museumsdirektorin Antje Birthälmer.

Warum eine Ausstellung um und über Jankel Adler?

Birthälmer: Wir machen immer wieder Ausstellungen zu Expressionisten, die letzte zu Adolf Erbslöh. Jankel Adler ist mit Wuppertal eng verbunden, ist ein großartiger Künstler, der in einem Atemzug mit einem Modigliani, einem Chagall oder einem Soutine genannt wurde. Es ist wichtig, ihm seinen Platz in der Kunst des 20. Jahrhunderts wieder zu geben. Das Von der Heydt besitzt fünf Bilder von ihm, darunter ein Bildnis von Else Lasker-Schüler, das viele kennen. Wer kennt Jankel Adler?

Warum ist das so?

Birthälmer: Das hat mit seiner Biografie zu tun. Er wurde als polnisch-jüdischer Künstler von den Nationalsozialisten verfolgt, verließ 1933 Deutschland endgültig. Viele Bilder wurden 1937/38 beschlagnahmt. Das von Else Lasker-Schüler war verschollen, tauchte 1985 bei der großen Adler-Ausstellung in Düsseldorf wieder auf und konnte für unser Museum zurückerworben werden. Dennoch geriet er erneut in Vergessenheit, vermutlich, weil er so eigenwillig und als ostjüdischer Künstler nicht genug im Kontext seiner Beziehungen gesehen wurde.

Wie kam Adler nach Wuppertal?

Birthälmer: Er kam 1912 nach Wuppertal, weil seine Geschwister in der Textilindustrie arbeiteten. Er war Goldschmied und Graveur, wollte sich vielleicht weiterbilden und lernte so an der Barmer Kunstgewerbeschule Gustav Wiethüchter kennen, der seine Schüler ermutigte, künstlerisch zu arbeiten, und ihn förderte. Adler fand zur Malerei, freundete sich mit Wuppertaler Künstlern an, schloss sich der Gruppe „Die Wupper“ an.

Welche Rolle spielte er?

Birthälmer: Aus Überlieferungen wissen wir, dass man sich in einer Barmer Dachgeschosswohnung traf, wo er den Künstlern auch Literatur näher brachte. Sozusagen ein „Barmer Parnasse“. Er wurde bewundert, galt als Vorbild. Es gab auch Sammler in Wuppertal. Schon 1925 besaß der Barmer Kunstverein vier Bilder von Adler.

Adler war in verschiedenen Künstlergruppen aktiv.

Birthälmer: Adler hatte schon früh Kontakte ins Rheinland, es war ihm wichtig, den Kontakt zu den modernen Künstlern herzustellen. In den 20er Jahren lebte er in Düsseldorf, war im „Jungen Rheinland“ aktiv, freundete sich eng mit Otto Dix an. Außerdem war er Mitbegründer der Künstlergruppe „Jung Jiddisch“ in Polen, die versuchte, die Identität als jüdische Künstler zu wahren und sich zur westlichen Avantgarde zu öffnen — das große Thema für Jankel Adler; Chagall war da ein wichtiges Vorbild.

Ist es die erste Adler-Ausstellung im Von der Heydt?

Birthälmer: Nein, 1955 gab es eine kleine Ausstellung, die erste nach seinem Tod; mitinitiiert von seiner Tochter Nina.

Welche Hürden musste die neue Ausstellung nehmen?

Birthälmer: Die Ausstellung ist Ergebnis gut zweijähriger, intensiver Recherche. Wir kämpfen gegen das Vergessen und mit der Schwierigkeit, dass mindestens ein Drittel seiner Werke zerstört oder verloren wurde. Adlers Tochter hinterließ dem Museum ein Fotoalbum, das bei der Recherche sehr hilfreich ist. Hinzu kommt, dass seine Werke sehr empfindlich sind, weil er spezielle Techniken verwendete, Sand oder Leim in Farben mischte, so dass die Struktur körnig ist.

Was zeigt die Ausstellung?

Birthälmer: Wir zeigen etwa 100 Werke Adlers, Gemälde und Papierarbeiten. Aus Privatbesitz und anderen Museen weltweit. Und wir stellen ihn in den Kontext seiner Beziehungen, zeigen weitere etwa 100 Arbeiten von Zeitgenossen.