Die Wirtschaft sucht ihr Gleichgewicht
Kein Besuch auf der Messe vergeht ohne Gespräche über die Rezession. Die Ohren sind also offen. Das nutzen Firmen, um neue Ideen zu platzieren.
Wuppertal. Alle hat es erwischt. Jeder heimische industrielle Aussteller auf der Hannover Messe berichtet über massive Umsatzrückgänge. Ein Minus von 30 Prozent ist nicht ungewöhnlich. Und alle wissen von Geschäftspartnern, die im vergangenen Jahr richtig investiert haben - und es nun durch die Finanzierungsbelastung doppelt schwer haben. Der Tenor: Es trifft jede Branche, jedes Land, positive Ausreißer sind extrem selten.
Doch Resignation macht sich nicht breit. Ingeroth Hahn von der Willi Hahn GmbH sieht es so: "Im Jahr 2012 stehen wir hier und dann sagen wir, dass wir es geschafft haben." Junge Mitarbeiter im Alter von 25 Jahren könnten zudem künftig mit Recht behaupten, sie hätten im Laufe dieser Krise schon alles mitgemacht."
Heinz Schmersal von der K.A. Schmersal GmbH mag zwar auch keinen Pessimismus, doch seine nach eigener Einschätzung realistische Sicht der Dinge ist weniger optimistisch. "Die Krise wird noch zwei Jahre dauern." Weitere zwei Jahre wird es in Anspruch nehmen, wieder das Niveau von 2008 zu erreichen. Und die Arbeitsplätze? Viele kleine Unternehmen werden die Krise nicht überstehen. "Wir selbst haben aber gut vorgesorgt. Arbeitgeber heißt für mich: Du bist verpflichtet, Arbeit zu geben." Er selbst habe zudem Glück gehabt und den Plan, eine Firma in Japan zu kaufen, rechtzeitig verworfen.
Doch auch Schmersal kann sich eine Situation vorstellen, in der das Unternehmen Vorrang hat. Wenn dann Aufhebungsverträge geschlossen werden müssten, sollen die gleichzeitig garantieren, dass entlassene Arbeitnehmer als erste wieder eingestellt werden. "Die Mitarbeiter können doch nichts für die Krise", so Schmersal.
Der Ernst der Lage ist natürlich auch allen Beschäftigten bei Gebr. Becker klar, so Christof Soest. Doch es gibt keine Panik. Die Maxime lautet: "Wenn es mit der Kurzarbeit funktioniert, geht kein Arbeitsplatz verloren." Die Firma ist in Hannover mit vielen Geräten vertreten, bei denen die Energieeffizienz im Vordergrund steht.
Gegenüber der Wuppertaler Wirtschaftsdelegation in Hannover mit Oberbürgermeister Peter Jung und Rolf Volmerig von der Wirtschaftsförderung an der Spitze zeigten sich viele Unternehmen kampfbereit. Einige von ihnen stellten erstmals in Hannover aus. Schließlich haben viele Gesprächspartner aus anderen Unternehmen gerade in dieser schwierigen wirtschaftlichen Phase Zeit, über neue Dinge nachzudenken - und die Ohren geöffnet. So versucht unter anderem die Firma August Bünger Bob-Textilwerk neue Märkte zu erschließen. Oft geht es um die hauseigene Kompetenz, mit einem technischen Textilband Fügetechniken zu vollziehen.
Da werden Stahlträger ohne Verschweißen miteinander verbunden, Stoffdächer im Cabrio bearbeitet, Abdichtungen im militärischen Bereich gefertigt. Mit gewebten dreiadrigen Kabeln ist das Unternehmen wie auch die Amohr Technische Textilien GmbH beteiligt, wenn Handys oder i-Pods in Jacken eingesetzt werden. Angefangen hat Amohr einst mit Bändern für Weidezäune. Jetzt testet die Firma die Resonanz in Hannover, will mit leitfähigen Textilien in neue Anwendungsbereiche. Ein Vorteil der Gewebe: Sie sind knickbeständig und aufbügelbar.
Selbstbewusst zeigt sich auch die Kolb GmbH. "Wir haben einen Namen im Markt", heißt es. Das Unternehmen wird im nächsten Jahr 100 Jahre alt und war lange Zeit in jedem Auto der Welt vertreten. Die Schrauben von Kolb - mit zum Teil speziellen Legierungsfertigkeiten hergestellt - halten 1000 Grad Celsius aus und finden sich in Turboladern, Abgassystemen, Bremsen und Felgen sowie in der Windkraftindustrie und der Solarbranche.