Neues Arbeitszeitmodell: Früher in Rente und keine Abzüge

Wer bei Gebr. Becker auf Gehalt verzichtet, darf früher gehen.

Nächstebreck. Es gibt auch Menschen, die raten angesichts der demografischen Entwicklung und des sich verstärkenden Fachkräftebedarfs den Unternehmen dringend davon ab, ihren Mitarbeitern Möglichkeiten zu schaffen, vorzeitig aus dem aktiven Berufsleben auszuscheiden. Gebr. Becker mit Sitz an der Straße Hölker Feld sieht das anders — und führt das Zeitwertkonto für daran interessierte Mitarbeiter ein.

Damit können die Beschäftigten ihre Lebensarbeitszeit beispielsweise so verkürzen, dass sie mit 63 statt mit 65 Jahren in den Ruhestand gehen — und zwar bei gleichem Gehalt. Zudem sind alle Varianten möglich: Zum Beispiel noch früher als mit 63 in den Ruhestand zu gehen, mehr eigenes Geld dafür in das Zeitwertkonto einzuzahlen, ein Sabbatjahr einzulegen oder eine Auszeit für Pflege zu nehmen. Überstunden lassen sich jedoch nicht in das System einpflegen.

Auch der schrittweise Ausstieg mit einem gleitenden Ruhestand, bei dem zum Beispiel ab dem 60. Lebensjahr immer weniger gearbeitet wird und sich die wöchentliche Arbeitszeit reduziert, ist möglich. Selbst die Einzahlungen des Arbeitnehmers sind so flexibel zu gestalten, dass auch Einmalzahlungen oder sehr hohe regelmäßige Zahlungen vorgenommen werden können. Und alles können die Mitarbeiter im Laufe der Jahre modifizieren. Keine jetzt getroffene Entscheidung bleibt also zwingend wie in Stein gemeißelt bis zum Ruhestand erhalten.

Dorothee und Martin Becker sowie Personalchef Hans-Michel Kapler führen dieses Instrument auch aus der Erkenntnis ein, dass es wenig Sinn hat, Mitarbeiter bis zum Alter von 67 Jahren zu beschäftigen, wenn die nicht mehr recht können oder wollen. Und nach einer Umfrage im Unternehmen wollen tatsächlich 88 Prozent der Befragten nicht bis zum 65. Lebensjahr arbeiten. 21 Prozent liebäugeln sogar mit einem Ausstieg früher als mit 60 Jahren.

Was den Fachkräftebedarf angeht: Becker setzt darauf, dass das Zeitwertkonto ein Instrument sein kann, um Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig an sich zu binden. Gleichwohl ist klar, dass die Anforderungen an die Arbeitsorganisation in etwa 20 Jahren höher werden, wenn viele Mitarbeiter das Zeitwertkonto geltend machen.

Die Initiative kam vom Betriebsrat: Der Vorsitzende Markus Förster und sein Stellvertreter Dirk Joppe: „Fakt ist, dass niemand wirklich, Stand heute, bis 67 arbeiten kann, geschweige denn möchte.“ Und weiter: „Wer hier frühzeitig die Weichen stellt, und das haben wir getan, für den ergeben sich doch zukünftig für die eigene Lebensplanung ganz andere Perspektiven und Lebensqualitäten“.