Wo die Nahversorger fehlen

In Beyenburg, Sudberg und auf dem Dönberg gibt es keine Supermärkte mehr. Aldi, Rewe und Co. haben nur noch große Standorte im Blick. Das ändert die Struktur in den Quartieren.

Wuppertal. In Wuppertal gibt es mehr als 630 Lebensmittel-Märkte mit einer Verkaufsfläche von mehr als 124 000 Quadratmetern — trotzdem gibt es im Stadtgebiet Versorgungslücken. Gerade in den Randbereichen tun sich immer größere weiße Flecken auf. Wie die Grafik — erstellt nach von der WZ aktualisierten Daten aus dem Einzelhandelskonzept der Stadt von 2015 — zeigt, ist besonders der Bereich Beyenburg von der Nahversorgung abgeschnitten.

„Wer kein Auto hat, hat kein Problem in Beyenburg“, sagt der örtliche Bezirksbürgermeister Eberhard Hasenclever. Die meisten würden einmal die Woche nach Remscheid-Lennep oder Schwelm fahren. Wer nicht mobil ist, werde in einigen Fällen einfach von den Kindern unterstützt. „So wie man das früher auf dem Land gemacht hat“, sagt Hasenclever, der das Fehlen eines Lebensmittelladens für das Quartier auch deswegen bedauert, weil den Menschen damit ein Treffpunkt im Viertel fehlt. „Doch das hängt ja immer an den Investoren“, weiß der Bezirksbürgermeister. „Wir würden schon einen Standpunkt finden — wenn sich jemand interessieren würde.“

Bei der Wirtschaftsförderung der Stadt ist Marco Trienes für den Einzelhandel zuständig. Er weiß, von welchen Faktoren Aldi, Lidl, Rewe und Co. ihre Ansiedlung abhängig machen. „Bei weniger als 3000 Einwohnern im Einzugsgebiet fangen diese Anbieter nicht an, nachzudenken“, sagt Trienes. Auf dem Papier könnte Beyenburgs Zentrum daher gerade einen Supermarkt stemmen. In der Praxis beendeten die möglichen Investoren nach einem Vorstoß der Wirtschaftsförderung vor drei Jahren ihre Prüfung möglicher Standorte in Beyenburg jedoch, ohne konkretes Interesse zu bekunden.

Laut Trienes setzen die Ketten immer mehr auf große Filialen mit mindestens 3000 Quadratmetern Fläche und viel Raum für Parkplätze. „Oft fehlt es an den passenden Grundstücken“, nennt Trienes eine weitere Hürde.

Ein typisches Beispiel für ein künstlich erstandenes Nebenzentrum ist der Otto-Hausmann-Ring in der Varresbeck, wo Edeka und Lidl in ihren großzügigen Märkten fast ausschließlich Kunden versorgen, die mit dem Auto anreisen und den Kofferraum mit Lebensmitteln für die Woche beladen.

Das Problem: An solchen Einkaufsinseln profitieren lediglich die Ketten selbst, während in den Quartieren mit solchen Ansiedlungen auch Stadtentwicklung betrieben wird. Trienes betont: „Die Nahversorgung ist oft das Rückrad der Quartiersentwicklung.“

Was bedeutet das im Umkehrschluss für ein Quartier wie Sudberg, wo seit Jahren der letzte Bäcker die einzigen Lebensmittel im Viertel anbietet? „Das ist ein Problem“, sagt Peter Vorsteher, Vorsitzender der Sudbürger. „Wir hätten ja noch nicht einmal eine Lokalität, wo wir einen Markt unterbringen könnten“, sagt er. Auch im Viertel gehe es ausschließlich mit dem Auto zum Einkauf — nach Cronenberg oder Remscheid. „Die Älteren sind auf ihre Nachbarn angewiesen, das klappt hier in Sudberg noch ganz gut“, sagt er.

Wo die Lebensmittel-Riesen abwinken, gibt es in ganz wenigen Fällen kreative Lösungen. Am Eckbusch hat mit dem Cap-Markt die Proviel GmbH eine Versorgungslücke geschlossen. Seit der Eröffnung im Sommer 2016 vermeldet der Supermarkt, in dem Mitarbeiter mit Handicap anpacken, mehr als 200 000 Kunden.

Seitdem schielen andere Quartiere neidisch auf so eine Lösung. Seit 2016 der Aldi-Markt am Holunderweg geschlossen hat, gehört auch der Dönberg zu den Unversorgten. Doch Proviel wird wahrscheinlich keinen zweiten Markt schultern können und die Aldi-Filiale ist Teil eines Gebäudekomplexes, der in Besitz einer Eigentümergemeinschaft ist. Zu der gehört auch Aldi und will dort wohl keine Konkurrenten einziehen lassen.

Für Marco Trienes von der Wirtschaftsförderung ist fraglich, ob das Cap-Markt-Konzept in allen Stadtteilen funktioniert. Er stellt fest: „Im Einzugsgebiet am Eckbusch gibt es viele Hochhäuser. In Beyenburg hingegen dominieren die Einfamilienhäuser.“ So gebe es im selben Radius nur einen Bruchteil potenzieller Kunden. Und: „Die Beyenburger versorgen sich mittlerweile seit Jahrzehnten mit dem Auto.“ Das Verhalten der Verbraucher sei schließlich die treibende Kraft für die Entscheidungen der Lebensmittel-Anbieter.

Trienes erinnert daran, dass sich vor 30 bis 40 Jahren noch die meisten Bürger über das Handwerk vor Ort versorgt haben: den Bäcker, den Metzger. „Nachdem die verschwunden sind, haben die Supermärkte übernommen“, sagt er. Inzwischen deutet sich die nächste Trendwende an. Das Verschwinden der Lebensmittelläden aus den historisch gewachsenen Ortskernen.

Die Wirtschaftsförderung versucht trotzdem weiter, die Lücken zu schließen, und will für Beyenburg erneut die Verantwortlichen anschreiben. Hasenclever sieht unterdessen in neuen Siedlungsgebieten eine Chance: „Wenn Beyenburg wächst, vielleicht rechnet sich dann irgendwann ein Nahversorger."