Medizin Beweglich und aktiv trotz Rheuma

Wuppertal · Durch moderne Medikamente und körperliche Aktivität lässt sich die Unabhängigkeit im Alltag lange erhalten.

Wassergymnastik belastet die Gelenke kaum und eignet sich daher optimal für Rheumapatienten.

Foto: Felix Kästle

In Deutschland leiden rund 20 Millionen Menschen an einer degenerativen oder entzündlichen rheumatischen Erkrankung. Menschen jeden Alters können von Beschwerden am Stütz- und Bewegungsapparat mitsamt seinen Strukturen wie Knochen, Gelenken, Sehnen, Bändern und der Muskulatur betroffen sein. Zusätzlich können entzündlich-rheumatische Erkrankungen auch die Haut, die inneren Organe, das Nervensystem, oder die Blutgefäße betreffen. Bei Rheuma handelt es sich nämlich nicht um eine eigenständige Erkrankung, sondern um einen Überbegriff für mehr als 400 verschiedene Krankheitsbilder.

„Zu den Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises – so lautet die medizinisch korrekte Bezeichnung – gehören sehr unterschiedliche Krankheitsbilder, die in mehrere Hauptgruppen unterteilt werden“, erklärt Privatdozent Dr. Björn Bühring, Facharzt für Innere Medizin-Rheumatologie und Geriatrie und Chefarzt des Bergischen Rheuma-Zentrums am Krankenhaus St. Josef, Klinikverbund St. Antonius und St. Josef GmbH. „Rheumatologen behandeln deshalb systemische, entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie die Rheumatoide Arthritis, Kollagenosen, Spondyloarthritiden, Vaskulitiden und autoinflammatorische Syndrome, zusätzlich aber Knochenerkrankungen wie Osteoporose, Stoffwechselstörungen wie Gicht, Infekt-assoziierte Erkrankungen wie die Borreliose, verschleißbedingte Erkrankungen wie Arthrose und nichtrheumatische chronische Schmerzsyndrome.“

Ergo- und Physiotherapie,
um beweglich zu bleiben

Viele rheumatische Erkrankungen verbindet, dass sie zu starken Schmerzen führen können – je nach Krankheitsbild treten diese in Gelenken, Knochen, Muskeln oder Sehnen auf. Oft leiden Betroffene unter steifen, geschwollenen und schmerzenden Gelenken, unter zunehmender Unbeweglichkeit oder haben beispielsweise Probleme beim Zugreifen. „Für Rheumapatientinnen und -patienten stellt deshalb Physio- und Ergotherapie, Rehasport, Funktionstraining und allgemeine körperliche Bewegung eine tragende Säule der Behandlung dar. Zwar neigen einige Betroffene immer noch dazu, sich so wenig wie möglich zu bewegen, weil sie Schmerzen haben oder erschöpft sind, aus Angst, die Gelenke noch mehr zu schädigen oder weil sie befürchten, einen Rheumaschub auszulösen“, sagt Dr. Bühring. Doch durch moderne Medikamente und körperliche Aktivität lasse sich der Verlust von Unabhängigkeit im Alltag verhindern und die eigene Beweglichkeit lange erhalten. „Auch sportliche Aktivitäten sind möglich, die wiederum Entzündungen in Schach halten und sogar Schmerzen in vielen Fällen reduzieren“, berichtet Dr. Bühring weiter.

Als zusätzlicher Effekt wirkt sich körperliche Aktivität positiv auf den Kreislauf und die Psyche aus. Das ist für Rheumapatienten besonders wichtig, weil sie ein erhöhtes Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko haben und häufiger an depressiven Symptomen leiden. Physiotherapie fördert außerdem die Gelenkigkeit, löst Verspannungen und kräftigt die Muskulatur.

In der Ergotherapie erlernen Betroffene hingegen, wie sie alltägliche Aktivitäten möglichst gelenkschonend ausführen und wie sie Hilfsmittel nutzen können, um unabhängig zu bleiben. Generell empfehlen sich bei Rheuma Sportarten, die die Gelenke nicht zu stark belasten. Ideal sind beispielsweise Schwimmen, Wassergymnastik, Radfahren, Thai Chi, Yoga oder Nordic Walking. Neben Ausdauer sollten Betroffene auch ihre Muskeln stärken, um alltägliche Bewegungen wie das Greifen, Anziehen und Treppensteigen besser bewältigen zu können.

Leiden Betroffene unter stärkeren Schmerzen, sollten medikamentöse oder manchmal auch invasivere Maßnahmen eingesetzt werden. „Um eine schnelle und oft auch anhaltende Linderung der Beschwerden zu erzielen, besteht die Möglichkeit, Kortison in einzelne Gelenke zu spritzen. Dies erledigen wir zumeist mit Unterstützung von Ultraschall-Bildgebung, da so das Gelenk direkt sichtbar gemacht werden kann“, berichtet Dr. Björn Bühring.

Die Behandlung des gesamten Organismus erfolgt in der Regel durch schnell wirksame, nicht kortisonhaltige, entzündungshemmende Medikamente, Kortisonpräparate in Form von Tabletten oder Infusionen, Schmerzmitteln und Basistherapeutika. Bei den Basistherapeutika gab es in den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten eine Revolution an neuen Therapiemöglichkeiten. Andererseits werden jahrhundertealte Therapien wie Wärme oder Kälte weiterhin erfolgreich eingesetzt.

„Wir haben das Glück, bei uns im Haus ein großes und sehr qualifiziertes Therapiezentrum mit eigener Kältekammer zu haben. Behandlungsmöglichkeiten gilt es allerdings immer an die jeweilige Erkrankung und ihren Schweregrad anzupassen. Insgesamt beruhen die therapeutischen Prinzipien in der Rheumatologie auf einer ganzheitlichen, individualisierten und multidisziplinären Herangehensweise“, gibt der Mediziner Björn Bühring zu verstehen.

(red)