„Wuppertal ist für uns wie ein Kurort“
Zwei gebürtige Moskauer fühlen sich im bergischen Land wohl.
Wuppertal. Valentina Prostine-Denisenkos Erinnerung setzt im Krankenwagen wieder ein. „Ein Schmerzschock“, vermutet sie. Auf dem Alten Markt in Barmen stürzte sie. „Dort war zu der Zeit niemand.“ Sie hatte Glück. Ein Mann kam zu Hilfe und verständigte den Notruf. „Wenn er nicht geholfen hätte, wäre ich vielleicht jetzt behindert. Ich weiss nicht, wer das war“, sagt die gebürtige Moskauerin, und wirkt dabei etwas hilflos. Sie wüsste es gerne.
1999 kam die 70-Jährige mit ihrem Mann Stanislav (73) aus Moskau nach Wuppertal. Die meisten Verwandten wohnten schon in Duisburg. „Wir waren die Letzten“, erzählt Prostine-Densienko. „Aber Duisburg gefällt uns nicht, zu viel Industrie“, sagt sie. „Aber Wuppertal!“ Ihre Stimme erhellt sich und sie lächelt. Gerade jetzt sieht sie jünger als 70 Jahre aus. Ihre Nichte schickte Bilder und Videos der bergischen Metropole nach Moskau. „Unser Traum war klein, grün und ein wenig Gebirge.“ An der Wand hängen Dekorationsteller — London, Berlin, Napoli und mehrfach Wuppertal.
Die Stadt sei für sie und ihren Mann wie der russische Kurort Kislovodsk. In Moskau hat sie als Ärztin gearbeitet und war Chefin der Kardiologie. Ihr Mann absolvierte zwei Studiengänge — Optikeringenieur und Deutsch. Auf die Frage nach seinen Deutschkenntnissen wiegelt er grinsend ab. „Ich schreibe nur“, sagt er.
Jahrelang hat er für das Verteidigungsministerium der Sowjetunion gearbeitet. „Alles sehr sehr geheim“, erzählt seine Frau mit weit geöffneten Augen. Später wurde er krank und arbeitete nur noch Teilzeit. Die Rente in Moskau hätte trotz ihrer Qualifikationen nur 30 Euro betragen — pro Monat.
Herr Prostine hört schlecht und braucht Gehhilfen. Dennoch ist er gut drauf. Seine Frau fragt ihn nach einem Wort. Anfangs sprach sie kein Deutsch. „Ich war ihr Trainer“, sagt Stanislav Prostine amüsiert. Er holt ein vergilbtes Wörterbuch und vertieft sich darin. Er wird fündig: „In der Patsche sitzen“, liest er kichernd vor.
Frau Prostine-Denisenko, die ehrenamtlich Gymnastik für Senioren anbietet, streicht über ihren lädierten Arm. „Wir lesen Zeitung und haben viele deutsche Freunde, für die wir sehr dankbar sind.“ Und sie mögen die deutsche Genauigkeit. „Wir sortieren Müll“, sagt ihr Mann lachend. Die Sprache lernen, dass sei das Wichtigste. Auch ihr Ehrenamt bedeutet ihr viel. „Man muss Gutes für die Menschen tun.“