Justiz Vierjährige nach Strafaktion lebensgefährlich unterkühlt

Wuppertal · Das Amtsgericht hat eine 29-Jährige wegen Misshandlung ihrer Stieftochter zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.

Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Es blieb bei einer Bewährungsstrafe für die 29-Jährige, die ihre Stieftochter (4) Anfang 2019 massiv misshandelt hat. Das Gericht verurteilte sie wegen Verletzung der Fürsorgepflicht und Misshandlung von Schutzbefohlenen zu zwei Jahren auf Bewährung und der Zahlung von 1800 Euro an den Kinderschutzbund.

Der Notarzt, den die Angeklagte selbst gerufen hatte, hatte das Mädchen nackt, nass und fast bewusstlos auf dem Sofa vorgefunden. Es hatte am ganzen Körper Kratzer, Rötungen und Bissspuren und war extrem unterkühlt. Die Rettungskräfte konnten den Wert zuerst nicht glauben, aber weitere Messungen bestätigten: 25,6 Grad Celsius. Das sei lebensgefährlich, sagte der Arzt. Sie brachten das Kind sofort auf die Intensivstation, informierten Jugendamt und Polizei. Schon auf Frage des Notarztes hatte die Frau zugegeben, das Kind geschlagen und gebissen zu haben, weil es sich gegen eine Dusche gewehrt hatte.

Die Angeklagte erklärt, sie habe
das Kind schützen wollen

Vor Gericht schilderte die Angeklagte, dass sie das Mädchen abduschen wollte, weil es in die Hose gemacht hatte. Das Kind habe Wasser noch nie gemocht, bei der Dusche habe es versehentlich Wasser ins Gesicht bekommen und sei „ausgetickt“, habe um sich geschlagen und getreten. Um zu verhindern, dass es sich stößt, habe sie es festhalten wollen, auf den Brustkorb des liegenden Kindes gedrückt, versucht, die Hände und Füße in den Mund zu nehmen, und sich auf die Beine des Kindes gesetzt.

„Ich wollte sie schützen, dass sie sich nicht verletzt“, sagte sie. Das Kind habe sich beruhigt, sie habe es in eine Decke gewickelt und aufs Sofa gelegt. Weil es dann nicht mehr ansprechbar war, habe sie den Notarzt gerufen. Keinesfalls habe sie zugeschlagen. Sie beteuerte unter Tränen: „Das alles tut mir sehr leid. Ich wollte das nicht.“

Der Ehemann (26) der Angeklagten und Vater des Kindes war während des Geschehens nicht zu Hause. Seine Frau hatte ihn nach Besuch des Notarztes angerufen. Sie habe gesagt: „Komm schnell, ich habe Mist gebaut.“ Die Verletzungen seien durchs Festhalten entstanden, glaubt er: „Ich weiß, dass meine Frau nicht zuschlägt.“

Eine Gerichtsmedizinerin erklärte aber, dass das Kind massive Gewalt erlebt hat: Hämatome im Gesicht und am Kopf wiesen auf kräftige Schläge hin, ringförmige Unterblutungen auf Bisse an Händen, Füßen, Armen, Beinen und Bauch. Und Einblutungen in den Augen darauf, dass sie dem Kind heftig auf die Brust oder sogar den Hals zugedrückt habe. Für die extreme Unterkühlung müsse es länger kühlem Wasser ausgesetzt gewesen sein.

Eine Mitarbeiterin des Jugendamts berichtete, dass das Kind jetzt in einer Einrichtung für traumatisierte Kinder lebt. Auffällig sei gewesen, dass für das Mädchen das Bad anfangs „absoluter Angstraum“ war. Es habe sich auf alles Essen gierig gestürzt, konnte körperliche Nähe erst kaum ausgehalten. „Sie zeigt alle Anzeichen einer schweren Traumatisierung.“

Der Vorsitzende Richter machte deutlich, dass das Gericht nicht von einem Kontrollverlust ausgeht: „Offensichtlich ging es darum, das Kind für das Einnässen zu bestrafen.“ Dafür sprächen neben dem kalten Abduschen die Länge des Geschehens und die Vielzahl der Verletzungen. Wichtigster Pluspunkt, der die Bewährungsstrafe noch möglich machte, sei ihr Anruf beim Notarzt gewesen, „dass Sie nicht noch länger gewartet haben, bevor noch Schlimmeres passiert“. Vor dem Gerichtssaal nahm der Ehemann die 29-Jährige in die Arme, Hand in Hand verließen sie das Gericht.