Bilder erzählen Stadtgeschichte Einkaufsbummel auf dem Friedhof
Bei der Umgestaltung des Kirchplatzes vor 16 Jahren wurden Gebeine gefunden und an der Hochstraße bestattet.
Unbeschwert einen Kaffee trinken auf dem Elberfelder Kirchplatz? „Das geht nicht mehr“, sagt Kurt Keil, „das ist seit damals nicht mehr drin.“
Es sind die Bilder menschlicher Überreste im Boden, Schädel und Knochen, die dem langjährigen WZ-Fotografen in den Sinn kommen, wenn er an das Frühjahr 2003 und die Bauarbeiten in der City denkt. Bei den Arbeiten zur Pflasterung des Kirchplatzes war nicht nur Mauerwerk aus verschiedenen Jahrhunderten gefunden, sondern auch altes Friedhofsgelände freigelegt worden. Wenige zehn Zentimeter unter den Gehwegplatten fanden sich menschliche Gebeine, die den Fachleuten Rätsel aufgaben.
Einer von ihnen war damals der Historiker Klaus Goebel. Mit den Worten: „Es gibt einfach keine Unterlagen mehr“, hatte er die Situation an der Fundstelle kommentiert: „Man hat immer wieder was drangebaut.“
In Absprache mit dem Amt für Bodendenkmäler wurden die Funde damals dokumentiert, und es zeigte sich, dass sich im Erdreich bei der Kirche in der Tat Gemäuer unterschiedlichsten Alters befand. Einen Anhaltspunkt zur Datierung bot zunächst nur eine Tonscherbe, die die Archäologen unter einem alten Naturstein-Fundament gefunden hatten. Sie wurde altersmäßig dem 15. oder 16. Jahrhundert zugeordnet.
Der Kirchplatz war bis zum 18. Jahrhundert ein Friedhof, die Gebeine daher jüngeren Datums, so die Einschätzung. Historiker Klaus Goebel hatte Jahre zuvor schon an derselben Stelle auf die Fundamente geschaut, wie die WZ seinerzeit berichtete: „Beim Wiederaufbau der Kirche nach dem Krieg half er bei den Grabungen mit. Die bestätigten Vermutungen, dass die erste Laurentiuskirche, so der ursprüngliche Name der späteren reformierten Kirche, zwischen 955 und 1000 gebaut wurde. Doch auch bei den Arbeiten im Jahre 1953 blieb das meiste aus der langen Geschichte der Kirche im Dunkeln.“
Ein knappes halbes Jahr nach dem Fund in der Elberfelder City wurde der Toten gedacht: Im September 2003 hielt der damalige Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Elberfeld, Andreas Knorr, eine Trauerfeier. „Die meisten Gebeine werden auf dem Friedhof an der Hochstraße bestattet“, kündigte die WZ seinerzeit zur Zeremonie an.
Für Superintendentin Ilka Federschmidt geht es in der heutigen Rückschau auch um Respekt vor einem historischen Ort: „Der Platz ist ein Zeugnis lebendiger Gegenwart und vergangener Geschichte von Kirche und Gemeinde.“
Die Bauarbeiten auf dem Elberfelder Kirchplatz sind längst beendet, viele Jahre sind vergangen. Der heutige Bereich der Fußgängerzone an der Calvinstraße ist ein freundlicher Ort im Schutz der altehrwürdigen Kirche. Die Wuppertaler halten sich gern dort auf, und den wenigsten dürfte klar sein, dass sie einen alten Friedhof betreten.
Doch wer damals dabei war und in den aufgerissenen Boden geschaut hat, vergisst die Bilder nicht. Auch dem WZ-Fotografen bleiben sie im Gedächtnis: „Ich weiß ganz genau, wo die menschlichen Überreste auf dem Platz liegen“, sagt Kurt Keil. „Ich denke immer: Wenn die wüssten, wer und was 400 Jahre später so über ihnen läuft – ich glaube, sie wären neugierig und würden gern mal zuschauen.“ Wer weiß, ob sie das nicht ohnehin längst tun...