Theater Wuppertaler Close Up-Theater: Aus harmloser Spielerei wird Ernst

Jubiläumsstück „Kontext“ füllt das Haus der Jugend.

Szene aus dem Jubiläumsstück „Kontext“.

Szene aus dem Jubiläumsstück „Kontext“.

Foto: Anna Schwartz

Zehn Jahre Close Up-Theater – das Projekt am Haus der Jugend Barmen feiert Jubiläum. Von Anfang an ging es darum, dass Jugendliche von 13 bis 21 Jahren in Schreibwerkstätten und Gesprächsrunden eigene Theaterstücke entwickeln und vor Ort aufführen. Der Name „Close Up“ (Nahaufnahme) ist Programm, bezieht sich sowohl auf die Themenwahl als auch auf die Darsteller selbst. Im Fokus jeder Produktion stehen ihre Ansichten zu gesellschaftlichen Themen, ihre Gedanken und Gefühle.

Die künstlerischen Leiterinnen Charlotte Arndt und Dilara Baskinci unterstützen die Teilnehmer in diesem Anliegen. Hinzu kommt die Zusammenarbeit mit Profi-Musikern, Licht- und Tontechnikern. Das Close Up-Theater wird unter anderem von der Stadt und dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) gefördert. Für landesweite Aufmerksamkeit sorgte 2016 die Auszeichnung mit dem Jugendkulturpreis NRW.

Auch mit ihrem Jubiläumsstück schaffte es das Close Up-Theater, so viele Menschen wie möglich zu erreichen: „Kontext“ füllte am Wochenende zweimal das Haus der Jugend bis auf den letzten Platz. Auf der Bühne verhandelt die junge Theatergruppe die Frage, was man aus anderen Kulturen übernehmen darf. Wann ist es „kulturelle Aneignung“, wann „Anerkennung“? Zu Beginn des Stücks erlebt Eila, wie aus einer harmlosen Spielerei Ernst werden kann. Als die Teenagerin aus dem Sommerurlaub mit einer ostafrikanisch anmutenden Frisur zurückkommt, gibt es Ärger in der Schule. Mitschülerin Sarah wirft ihr kulturelle Aneignung vor und meint, People of Colour würden für das Tragen der gleichen Frisur diskriminiert. Für Eila sei das hingegen ein Modetrend, den sie als Weiße jederzeit ablegen könne.

Kultureller Austausch ist
besser als Frontenbildung

Der Streit verfolgt nicht nur Eila bis in den Schlaf. In Traumszenen spielte das Ensemble auf der Bühne die Eskalationsstufen durch. Begleitet von Christopher Huber (Geige und Keyboards), Christopher Esch (Gitarre) und Christian Mohrhenn (Schlagzeug), beschwor ein Gespensterchor eine „gespaltene Gesellschaft“ herauf.

Was passiert, wenn sich jeder auf die eigene Kultur zurückzieht, zeigte ein anderer Alptraum: Im Klassenzimmer sprachen alle nur noch ihre Muttersprache, ein Ausräumen des Konflikts schien nicht mehr möglich. Auch die „erwachsene“ Debatte zum Thema wurde auf die komische Spitze getrieben. Darstellerinnen und Darsteller traten als wandelnde Emoji-Zeichen auf und steigerten Presse-Zitate und Onlinekommentare zu einer Kakophonie widerstreitender Meinungen. Die Jugendlichen mussten selber nach einem versöhnlichen Schluss suchen. Ihre Lösung bestand darin, sich zusammenzusetzen und offen über die eigenen Schwächen zu sprechen. Die „Angst, auf der falschen Seite zu stehen“, kristallisierte sich in diesem Gespräch ebenso heraus wie die Erkenntnis, dass „kultureller Austausch“ die bessere Alternative zur Frontenbildung sein könnte. Zuletzt stimmten alle Beteiligten eine vielsprachige Version von Goethes „Erlkönig“ an, und das Publikum beantwortete ihren Gesang mit tosendem Applaus.

Das Ensemble besteht aktuell aus: Aws Alastwani, Leander Diedam, Angelina-Sophie Dörge, Amalia Franke, Yannic Friemann, Aslihan Görgülü, Leonie Grunau, Dana Jandt, Laura Hutta, Eric Saborowski, Julia Schüller, Tala Majalli, Kim Luise Mohr, Mio Maximilian Mohrhenn, Meri Khachatryan, Leonie Twardokus, Yvonne Wille und Zoe Kakari.