Kolumne Von Honoratioren und Meistbegüterten

Die Oberbürgermeister in der Wuppertaler Geschichte.

Detlef Vonde ist Historiker und leitet unter anderem die Politische Runde an der Bergischen VHS.

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Im September des nächsten Jahres endet die Amtszeit des aktuellen Wuppertaler Oberbürgermeisters und ein neuer wird gewählt oder der alte bestätigt. Das ist gute demokratische Praxis und zentraler Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung, seit sie im frühen 19. Jahrhundert „erfunden“ wurde; denn diese „Selbstverständlichkeit“ von heute ist - wie die vertraute Infrastruktur einer Stadt insgesamt - ein eher jüngeres Geschöpf der neueren Geschichte.

Bis 1806 wurden zum Beispiel die Stadtoberhäupter von Elberfeld immer am 1. Mai für ein Jahr gewählt. Theoretisch kam dafür jeder Bürger der reformierten Gemeinde infrage. Tatsächlich gelangten aber stets nur Mitglieder der reichen Kaufmannsfamilien ins begehrte Amt; denn das Ganze war ziemlich kostspielig. Die siegreich aus indirekter Wahl Hervorgegangenen saßen dann einem zwölfköpfigen Stadtrat vor. Sogar drei „Dezernenten“ gab es schon damals. Sie hießen allerdings „Gemeinsmänner“ und gingen dem Bürgermeister hilfreich zur Hand.
Ab 1806 unter französischer Verwaltung stand dann ein „Direktor“ an der Spitze der Verwaltung, dem drei Beigeordnete und ein Polizeikommissar zugeordnet waren. Aus dem „Direktor“ wurde später ein „Maire“ (= Bürgermeister) im Ehrenamt, allerdings im Rang eines Staatsbeamten und damit in voller Abhängigkeit von der Obrigkeit.  Der Stadtrat wurde zum „Munizipalrat“ und tagte einmal pro Jahr, um den Haushalt der Stadt zu verabschieden.

1815 wurde das Großherzogtum Berg dann preußisch. Seit den Gemeindeordnungen von 1845 und 1850 konnte man nun tatsächlich von kommunaler Selbstverwaltung sprechen. Das klang ambitionierter, als es tatsächlich war, denn nicht alle Stadtbewohner durften mittun. Der Gemeinderat wurde jetzt nach Steueraufkommen gewählt. Aus dessen Reihen gingen die künftig besoldenden Bürgermeister durch Wahl hervor. Amtszeit zwölf Jahre.

Bürgermeister und bezahlte Beigeordnete (6 Jahre) waren aber erst dann im Amt, wenn der preußische König sie zu guter Letzt bestätigte. 1856 trat auch für Barmen und Elberfeld eine neue Städteordnung in Kraft. 30 Stadträte wurden nun nach dem Dreiklassenrecht gewählt.

Das funktionierte so:  Die Steuerpflichtigen wurden in drei Klassen aufgeteilt. Rund vier Prozent der höchstbesteuerten Bürger wählten danach ein Drittel der Gemeinderäte. In der zweiten Klasse wählten rund 13 Prozent Steuerpflichtige ein weiteres Drittel der Stadträte, und die verbleibenden 83 Prozent der geringst Besteuerten wählten schließlich das restliche Drittel.

Darüber hinaus musste in jeder Abteilung die Hälfte der Mitglieder Hausbesitz nachweisen können. Wer keine Steuern zahlte, blieb draußen. Dieses rigide Wahlrecht, das die bürgerlichen Honoratioren- und Unternehmerfamilien zu exklusiven Entscheidungsträgern der kommunalen Selbstverwaltung machte, galt bis 1918. Ein privilegierter Personenkreis wählte jeweils auf zwölf Jahre die Oberbürgermeister, die alle wesentlichen Amtsgeschäfte erledigten und die Stadt gegenüber der Bezirksregierung vertraten.

Im Zuge der Industrialisierung und Urbanisierung, der rapiden Entwicklung der Stadt, ihrer Infrastruktur und Verwaltung gewannen die besoldeten Beigeordneten jetzt an Bedeutung und Einfluss. Seit dem 2. März 1919 wurde dann der Stadtrat von Elberfeld und Barmen nach allgemeinem und gleichen Recht von Frauen und Männern ab 20 Jahren gewählt.

Die Geschichtskolumnen im nächsten Jahr werden in lockerer Folge einige solcher Stadtoberhäupter der vergangenen zwei Jahrhunderte vorstellen, deren Namen heute etwas in Vergessenheit geraten sind. Wer waren die Personen hinter dem Amt? Woher kamen sie? Was haben sie bewirkt? 

Um es gleich vorab zu sagen: Wie das wirkliche Leben kennt auch die Geschichte von Städten die unterschiedlichsten Talente und Charaktere in dieser lokal herausgehobenen Funktion: zumeist karrierebewusste Männer, nur eine Frau, zumeist fleißige Beamte, mal kluge und auch schlichte Köpfe,  mal eifrige Erfüllungsgehilfen im Dienste der wechselnden Obrigkeit und später oft entschiedene Demokraten, die Spuren hinterließen oder aber schnell wieder vergessen waren.