Bildung Ballons mit Herz fallen immer auf die Füße

Wuppertal · Gislinde Düx führt Grundschüler spielerisch an Naturwissenschaften heran und bricht nebenbei Geschlechterklischees auf.

Karina, Zeynep, Azra, Ingrid, Orlando, Kimberly, Celina, Ashley, Marco, Maria Eleni und Selvi (v.l.) beim Ballon-Experiment.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Mit großem Hallo lassen die Kinder ihre bunten Ballons aus den hochgereckten Händen fallen. Und beobachten, wie diese immer wieder auf die Pappfüße fallen, die die Kinder am Verschluss befestigt haben. Celina (11) weiß warum: „Die Pappe ist schwerer als der Ballon, deshalb fallen die immer auf die Füße.“

Die „Füße“ sehen aus wie ein Herz. Das haben die Kinder zuvor selbst ausgeschnitten, ein Loch hineingebohrt und den Ballonverschluss hindurch geschoben. Jetzt hat der Ballon einen Schwerpunkt, der stets als erster auf der Erde landet. Und die Kinder wissen, dass dieses Prinzip auch an anderen Stellen wirkt: „Ein Auto, das schnell fährt, fliegt nicht wie ein Ballon sonst wohin“, erklärt Orlando (8). Die Schwerkraft halte es am Boden.

Solche einfachen Experimente sind es, die Gislinde Düx in ihrer Experimente-AG mit den Zweit- bis Viertklässlern in der Grundschule Germanenstraße ausführt. Einmal in der Woche kommen sie nach dem Unterricht zusammen.

„Wir haben auch über Goethe geredet“, berichtet Derya (8). „Der hat die Farben erforscht.“ Und sie haben ein Erlebnis von Goethe nachempfunden. Maria Eleni (7) erkärt: „Der ist in eine Gaststätte gegangen, da hat er eine Frau angeguckt, die ein rotes Kleid anhatte. Und dann hat er an die Wand geguckt und das grüne Kleid gesehen.“ Den Effekt, dass unser Auge nach dem intensiven Betrachten eines Motivs ein Bild in Komplementärfarben sieht, haben die Kinder oft wiederholt. Haben auf die obere Hälfte eines weißen Blatts rote Tiere gemalt, nach langem Hinsehen auf dem unteren Teil des Blatts ein Abbild in Grün gesehen.

Sie haben Kerzen ausgepustet, die hinter Hindernissen standen und ein Glas mit Luft unter Wasser gedrückt, dann die Luft seitlich entweichen lassen. „Wenn das Glas schief ist, kommen Blasen raus“, erklärt Selvi (7). Und kleine Tropfen aus einer Apfelsinenschale erzeugte in einer Kerzenflamme „so Pünktchen wie Silvester“, berichtet Karina. „In der Schale ist so Öl“, weiß sie.

Alle Kinder sind begeistert von der AG: „Weil man da viel lernen kann“, sagt Orlando. „Weil es Spaß macht und man auch was selber machen kann“; sagt Kimberley. Und Karina erklärt: „Es ist sehr spannend.“ Derya (8) findet wichtig: „Es geht nicht darum, dass jemand der Beste ist.“ Marco erzählt: „Man kann das auch zu Hause machen. Ich zeige das jedes Mal meiner Familie.“ Ihre Experimente halten die Kinder in ihrem „Laborheft“ fest, damit sie sie den Eltern zeigen oder selbst noch einmal nachlesen können.

Die Kinder sind begeistert
von dem Angebot

Die aktuelle AG besteht aus 16 Mädchen und zwei Jungen. Sicher eine Folge davon, dass Gislinde Düx zuvor eine reine Mädchen-AG angeboten hat. Für Schülerinnen aus dem Vorjahr ist die Beteiligung an Experimenten inzwischen so selbstverständlich, dass sie sich von den Jungen nicht verdrängen lassen. „Die Jungen übernehmen gern die Führungsrolle“, erklärt die Pädagogin. „Die Mädchen lassen sie und trauen sich dann nichts mehr zu.“

Kinder begännen ab dem Kindergartenalter, Geschlechterrollen zu übernehmen. „Sie wollen ihre soziale Kompetenz zeigen“, erklärt die Pädagogin. „Mein Ansatz ist, dass ich Angebote mache, die nicht dem Stereotyp entsprechen.“ Deshalb gibt es die Experimente AG mal für Mädchen und Jungen, aber mal auch nur für Mädchen. Gleichzeitig bietet sie „Wolle, Filz und Co.“ auch mal nur für Jungen an.

Dann bastelten die jungen Teilnehmer unter anderem Umhängetaschen aus Filz. Dass sie unter anderem eine „coole“ Tasche von Gislinde Düx’ Ehemann als Vorbild hatten, half dabei. Sie haben auch einen kleinen Teppich gewebt, eine Wimpelkette gebastelt und Pompoms aus Wolle hergestellt, aus denen Fantasiewesen entstanden. „Die Jungen fanden es voll cool“, berichtet Gisline Düx.

Ihre Angebote macht sie auf selbstverständliche Weise: „Wenn ich das nicht hinterfrage, dann funktioniert das. Die Kinder machen das automatisch. Sie wissen, jeder kriegt was, keiner kommt zu kurz.“ Ziel dabei sei, den Kindern mehr Optionen zu eröffnen, ihnen eine größere Bandbreite an Möglichkeiten zu eröffnen. „Das bereitet auch besser auf das Leben vor.“

Bei den Naturwissenschaften sei der frühe Kontakt eine wichtige Komponente: „Menschen wählen das später als Fach, weil sie es kennen. Sie müssen nicht unbedingt gut darin sein, nur schon Erfahrungen damit haben.“ Sie will Hemmschwellen abbauen, die sonst dazu führen könnten, Naturwissenschaften für zu schwer zu halten. Und wenn die Mädchen und Jungen in einem sicheren Rahmen die Gelegenheit hatten, sich auszuprobieren, gelinge es ihnen später auch, ihre Interessen durchzusetzen.