WZ-Serie: Null Respekt Wuppertaler Grundschullehrerin: „Respekt ist der Grundstein für erfolgreiches Lernen“
Wuppertal · Anna Oëx erzählt, wie sie mit Kindern ein gutes Miteinander übt und welche Veränderungen sie zu früheren Zeiten feststellt.
Respekt? Ist „sehr wichtig“ für Anna Oëx, Lehrerin an der Grundschule Am Nützenberg und Vorsitzende der Fachgruppe Grundschule bei der Gewerkschaft GEW in Wuppertal. „Zusammen mit Vertrauen ist Respekt der Grundstein für erfolgreiches Lernen“, sagt die Grundschulpädagogin. Denn Lernen finde vor allem auf der Beziehungsebene statt. Deshalb sei ein Großteil ihrer Arbeit Beziehungsarbeit und dabei spiele Respekt eine große Rolle.
Wobei sie Wert darauf legt, dass Respekt nichts mit Angst zu tun hat: „Angst macht Lernen unmöglich. Ich verbinde Respekt mit Vertrauen und Wertschätzung.“ Wie man diese anderen Menschen zeigt, üben sie in der Grundschule mit einfachen Regeln, die immer wieder Thema sind. Dazu gehöre zum Beispiel, sich gegenseitig ausreden zu lassen, den Sprecher beim Zuhören anzuschauen, sich zurücknehmen, bis man an der Reihe ist.
Sie sagt, ihr sei schon aufgefallen, dass heute mehr Kindern als zur Zeit ihres Berufsstarts 2003 diese Regeln noch nicht beherrschen. Da helfe nur Erfahrung, Ruhe, Humor und Geduld und, immer wieder an diese Regeln zu erinnern. Sie hängen als Plakat im Klassenzimmer, werden in Rollenspielen geübt. „Das sind vier Jahre lang unsere Begleiter“, sagt Anna Oëx. Sie motiviert die Kinder zum respektvollen Verhalten, lobt sie, wenn es gelingt. Und gibt auch zu, wenn sie selbst sich nicht an die Regeln hält: „Ich bin ja nicht unfehlbar.“
Sie hat eine Vermutung, warum vor allem Kommunikationsregeln nicht mehr so gut verinnerlicht sind: „Wenn ich höre, wie selten es gemeinsame Mahlzeiten in der Familie gibt, dann ist mir klar, dass das weniger geübt wird.“ Am Essenstisch lernten Kinder nebenbei, dass jeder mal etwas sagen darf, dass man mal provoziert wird und das aushält.
Aufgefallen ist ihr auch, dass Kinder bei Streit heute schneller Erwachsene dazurufen. Sie vermutet, dass auch hier die Übung fehlt, sich ohne Erwachsene miteinander zu arrangieren, weil die Kinder vielleicht in der Coronazeit weniger Zeit in einer Kita verbracht haben. Um den selbstständigen Umgang mit Konflikten zu verbessern, bilde die Schule Kinder zu Streitschlichtern aus. Die seien auf dem Schulhof an einer Warnweste oder einer besonderen Schirmmütze erkennbar. Und könnten Streithähne dazu anhalten, die jeweilige Gegenseite anzuhören, einen Kompromiss zu finden und sich vielleicht zu entschuldigen.
Dabei, so betont Anna Oëx, seien Kinder grundsätzlich sehr freundlich miteinander. „Die suchen Kontakt und spielen zusammen, überwinden Grenzen, ohne auf Klischees wie Aussehen oder Kleidung zu achten. „Das funktioniert sogar ohne Sprache.“
Mobbing sei in der Grundschule zum Glück noch kein Thema. Dabei helfe auch, dass das Thema „jemanden ausgrenzen“ öfter behandelt werde, besprochen wird, wie sich jemand dabei fühlt, und versucht wird, alle einzuschließen. Am Ende der Grundschulzeit hätten allerdings immer mehr Kinder ein Smartphone: „Da erleben wir dann, dass einzelne aus Whatsapp-Gruppen ausgeschlossen werden.“ Sie rieten Eltern daher dazu, möglichst lange zu warten, bis die Kinder ein eigenes Smartphone bekommen. In der Schule ist die Nutzung ohnehin verboten: „Sie dürfen es nur ausgeschaltet in der Tasche haben.“
Wichtig ist ihr der Hinweis, dass die Eltern Vorbilder sind. Auch von diesem wünscht sie sich manchmal mehr Respekt und Wertschätzung, zum Beispiel durch Pünktlichkeit bei Terminen, durch die Bereitschaft, Gemeinschaftsaufgaben an der Schule zu übernehmen, durch Aufmerksamkeit bei Schulaufführungen – statt aus dem eigenen Bedürfnis heraus mit den Sitznachbarn zu reden.
Sie hat in Elterngesprächen auch schon Respektlosigkeit erlebt, sogar das Klischee, dass ein Vater ihr erklärte, seinem Sohn falle es schwer, vor einer Frau Respekt zu haben. „Damals war ich ziemlich sprachlos“, gibt sie zu. Inzwischen blickt sie gelassener darauf, würde dem Vater deutlich machen, dass sie ein gutes Verhältnis zu dem Jungen hat, und nicht weiter darauf eingehen. „Ich muss den Vater ja nicht erziehen.“ Elterngespräche führten sie ohnehin meist zu zweit, weil sie auch die Klassenleitung teilen. Bei Problemen könne man sich Hilfe bei Kollegen oder der Schulleitung holen. Die Gewerkschaft GEW biete auch Fortbildungen zu Elterngesprächen an.
Welchen Unterschied sie zu ihrer eigenen Schulzeit sieht? „Ich hatte eine Grundschullehrerin, zu der ich eine sehr persönliche Beziehung hatte“; erzählt Anna Oëx. Deshalb versuche sie heute, auch eine gute Bindung zu den Kindern herzustellen. „Aber einen Unterschied gab es: „Ich habe meine Lehrerin immer gesiezt.“ Sie selbst werde von fast allen Kindern zunächst mit Frau Oex und du angeredet, erst im dritten oder vierten Schuljahr setze sich das Sie durch.
Sie wünscht sich von Kindern und Eltern den Respekt, der aus dem Vertrauen erwächst, dass sie eine gute Lernatmosphäre schafft, den Kindern mit Regeln und Grenzen nicht schaden, sondern allen helfen will, sich zu entfalten. Und für die Kinder wünscht sie sich mehr Platz auf den Schulhöfen und schöner renovierte Schulen. „Ich finde, die Stadt zeigt da wenig Respekt den Kindern gegenüber.“