Wuppertal Wuppertaler Hochhaus evakuiert: Bewohner sind wütend
Die Evakuierung des Hochhauses an der Heinrich-Böll-Straße hat die Bewohner überrascht. Sie konnten nur das Nötigste einpacken. Die Wut auf den Vermieter wächst.
Wuppertal. Für die Anwohner, die vor 17 Uhr aus ihren Fenstern auf die Heinrich-Böll-Straße blicken, muss es etwas Beunruhigendes haben. Vor dem Haus stehen drei Polizeiwagen, das Ordnungsamt, ein Rettungswagen, Und dann fahren auch noch drei Busse der Stadtwerke direkt vor die Tür. Dass diese die Bewohner wegbringen sollen, wissen viele von ihnen da noch nicht. Dann gehen die Mitarbeiter des Ordnungsamtes mit ihrem Chef Carsten Vorsich um 17 Uhr ins Haus. Sie gehen von Tür zu Tür, sagen den Anwohnern, dass das Haus aus Brandschutzgründen geräumt wird, und dass sie 15 Minuten haben, um das Nötigste zu packen. Einen Koffer sollen sie mitnehmen. Andere Habseligkeiten können sie in den nächsten Tagen holen, unter Aufsicht.
Der Sohn eines Anwohners steht an der Straße und raucht. Er hat im Radio gehört, was passieren soll und ist sofort gekommen. Sein Vater kommt dazu, gerade von der Arbeit. Er wohnt in dem Haus. Ein Mitarbeiter der Stadt bittet ihn, ins Haus zu gehen. „Die Infos bekommen Sie an der Wohnungstür“, sagt er.
Es dauert eine halbe Stunde, bis die ersten Menschen herauskommen. Einige mit Reisetaschen. Andere mit Einkaufstüten. Eine Familie bringt Müllbeutel und Reisetaschen — und einen Hamster. Unterdessen kommen Verwandte der Anwohner an die Absperrbänder und werden von der Polizei ins Haus geschickt. Helfen ist möglich. Marieke Schmidt bringt nur wenig aus dem Haus heraus. „Nur Handgepäck“, sagt die Frau, die bei ihrer Tochter unterkommen wird. Wie lange sie aus dem Haus muss? „Keine Ahnung. Ich bin schockiert“, sagt sie.
„Es ist eine einschneidende Maßnahme für die Menschen, die dort wohnen“, räumt Wuppertals Baudezernent Frank Meyer ein. „Das ist uns bewusst.“ Aber nach dem Londoner Brand sei das Risiko auch im Wuppertaler Hochhaus neu bewertet worden. Bei der jüngsten Brandschau schlugen die Experten Alarm: Die Fassade bestehe aus brennbarem Isoliermaterial, es gebe eine Unterkonstruktion aus Holz, warnten sie. Außerdem seien die Flure des rund 50 Jahre alten Hauses zu eng und die Balkone zu kurz. Eine Brandmeldeanlage? Fehlanzeige.
„Wenn unmittelbare Gefahr für Leib und Leben besteht, müssen die Menschen in Sicherheit gebracht werden“, erklärt Meyer. Die Bewohner waren da, so scheint es, schon weiter. Sie haben nach eigenen Angaben wiederholt auf Brandschutzmängel hingewiesen. „Es ist immer wieder gesagt worden, es werde etwas unternommen“, sagt eine Bewohnerin des heruntergekommen wirkenden Wohnblocks, der wie ein elfstöckiger Leuchtturm aus dem Wohnquartier Hilgershöhe heraussticht. „Immer wurde etwas gesagt, nie wurde etwas gemacht. Beschissen ist das.“
Mohamed Isufi, sagt, es sei nicht in Ordnung, dass der Hausbesitzer sich nicht um das Haus kümmere. „Der kassiert die Miete, sonst macht der nichts. Im Haus gibt es immer Probleme.“ Deswegen verstehe er auch nicht, warum die Räumung so plötzlich kommt. Seine vierköpfige Familie kommt mit drei kleinen Taschen und einem Rucksack aus dem Haus. Sie wollen zur Cousine des Vaters, die nicht weit weg wohnt.
Magdalene Kostka hat zehn Jahre im zehnten Stock gewohnt. Sie habe aber immer Angst gehabt, dass es brennt und sei deswegen ausgezogen. Jetzt wollte sie nach einer 80 Jahre alten Bekannten sehen, helfen und ein Quartier anbieten. Falls sie nicht schon eines hat, wie so viele. Um 18.30 sitzen gerade einmal vier Menschen in den WSW-Bussen.