Was glauben Sie denn? Wuppertaler Kirchenkolumne: Was ist eigentlich Zionismus?

Wuppertal · Der Begriff „Zionismus“ wurde 1893 von Nathan Birnbaum geprägt. Doch was ist die Vorgeschichte?

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Foto: Anna Schwartz/ANNA SCHWARTZ

Vor etwa 3000 Jahren eroberte König David Jerusalem und ließ auf einem der Hügel für sich eine Burg bauen. Diese Burg nannte er „Zion“. Sein Sohn Schlomo (Salomo) ließ unweit dieser Burgfeste den ersten Tempel erbauen. Also nannte man den ganzen Hügel „Zion“ (Jes. 10.12). Später ging dieser Name auf ganz Jerusalem über (Amos 6.1) und dann auf das ganze Land Israel (Jes.1.27).

Nach 130 u.Zt., als die Römer den Bar-Kochba-Aufstand blutig niedergeschlagen hatten, waren sie so wütend auf dieses kleine, freiheitsliebende Volk, dass sie Jerusalem und den Tempel zerstörten und das Land umbenannten in „Philistäa“, nach einem längst untergegangenen, räuberischen Seefahrervolk, das einst aus Kreta gekommen war. Viele Bewohner des Landes wurden von den Römern vertrieben. Doch ein Rest von ihnen ging in den Untergrund, sowohl in Jerusalem, als auch in anderen Teilen des Landes. Sie wollten den Anspruch auf ihr Land nicht preisgeben.

Im ehemals Babylonischen Reich hatten Juden, die dort geblieben waren, große Gelehrtenschulen aufgebaut. Um 400 u.Zt. entsandten sie einige Gelehrte nach Jerusalem und Tiberias, um die dortigen jüdischen Gemeinden zu unterstützen. Von 720 bis ins 12. Jahrhundert tauchten immer wieder falsche Messiasse auf in Ispahan, Fez, Cordova und in Frankreich, die das Land „erlösen“ wollten, aber nie so weit kamen.

Unter Sultan Saladin gab es einen sehr toleranten Umgang miteinander. Damals warben jüdische Gelehrte wie Maimonides, David Kimchi, Abravanel, Jehuda ha-Levi unter anderem für eine jüdische Heimstatt in der von den Osmanen besetzten Heimat. Sie konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Allerdings wanderten in dieser Zeit etwa 300 Rabbiner aus England und Frankreich ins Land ein. Im 16. Jahrhundert nutzte Don Josef Nassi seine guten Beziehungen zum türkischen Hof, um einer jüdischen Heimstatt näher zu kommen. Auch leider ohne Erfolg.

Im 17. Jahrhundert wanderten viele Mystiker ins Hebräerland ein. Sie wollten durch Beten und Fasten die Ankunft des Messias beschleunigen. 1695 überreichte der Däne Holger Oliger Paulli dem englischen König Wilhelm II. eine Denkschrift über die Wiedererrichtung des jüdischen Reiches. Im 18. Jahrhundert gab es viele Versuche, teils von Abenteurern, einen neuen Staat Israel zu errichten. 1799 schließlich forderte Napoleon Bonaparte die Juden Asiens und Afrikas auf, unter seinen Fahnen das alte Jerusalem wiederherzustellen. Auch daraus wurde nichts. Bis zum 18. Jahrhundert waren die Rückkehrer nach Zion religiös motiviert. Sie wollten die Wege des Messias ebnen und sein Kommen beschleunigen. Natürlich spielten auch die vielen Verfolgungen eine Rolle.

Im 19. Jahrhundert wandelte sich das Bild. So unternahm Sir Moses Montefiore, der sich sehr um die verarmten Juden Jerusalems kümmerte, einen Vorstoß bei der britischen Regierung, sich bei den Osmanen für mehr politische Autonomie der Juden Jerusalems einzusetzen. Er fand kein Gehör. Aber überall in Europa wurde lauter über eine politische Autonomie der Juden in ihrem Ursprungsland nachgedacht. Auch Moses Hess, um nur einen zu nennen, erörterte dies in seinem Buch „Rom und Jerusalem“. In dieser Zeit bereiste der Brite Sir Laurence Oliphant das Land mit seinem jüdischen Sekretär Naftali Herz Imber, dem Verfasser der „Hatikwa“, der heutigen Nationalhymne Israels.

Auch in Russland besann sich die jüdische Jugend auf ihre Wurzeln, schon vor, jedoch besonders nach den Pogromen von 1881/82. Sie bildeten Gruppen, die sich „Chowewe Zion/Zionsliebende“ nannten. Sie strebten eine Nation für die Juden an, mit allen politischen Möglichkeiten. Als dann Theodor Herzl nach der Erschütterung durch den Dreyfus-Prozess sein Buch „Der Judenstaat“ veröffentlichte, fiel das auf gut vorbereiteten Boden.

Als der erste Zionisten-Kongress in München stattfinden sollte, rief das allerdings gleich Gegner auf den Plan. Da waren einmal die strenggläubigen Juden, für die ein säkularer Staat eine schwere Sünde ist. Sie erwarten bis heute einen Messias, der den 3. Tempel vom Himmel bringt. Außerdem gab es bis 1938 Juden, die sich dem jeweiligen Nationalstaat so sehr zugehörig fühlten, dass sie Zion abgeschrieben hatten. Diese zweite Gruppe gibt es nach der Shoa nicht mehr. Stattdessen gibt es heute viele Menschen, die von den Nazis indoktriniert und von ihren Anführern, wie dem Mufti von Jerusalem Amin el-Husseini, einem Freund Hitlers, radikalisiert wurden. Vom eigentlichen Zionismus, der Liebe der Juden zu Zion und dem Jahrhunderte währenden Kampf um die Rückkehr in ihr angestammtes Land, wissen sie fast nichts.

Wie jedoch zwei sehr alte Völker in einem Land friedlich leben können, darüber haben sich zu allen Zeiten Gelehrte den Kopf zerbrochen. Fanatiker, Extremisten können nirgendwo auf der Welt miteinander reden. Frieden bekommt man nicht geschenkt, es gehört viel Einsicht und guter Wille dazu. Doch das ist ein eigenes Thema. Es lohnt sich immer, darüber nachzudenken, und ist eine Herausforderung für jeden Menschen.