Freies Netzwerk Kultur Wuppertaler Kulturkolumne: Ein kreativer lebendiger Organismus

Wuppertal · Alles darf sich verändern und interagieren.

Uta Atzpodien.

Foto: Ralf Silberkuhl

Nebelschwaden steigen auf zwischen Pflanzen vor einem Gebäude. Ihre Kühle legt sich inmitten des Sommertags erfrischend auf die Haut. Nur noch mit tastenden Sinnen führen die nächsten Schritte zum Eingang des renommierten Museums Fondation Beyeler. Ihre Sommerausstellung versteht sich als „lebendiger Organismus“, sieben Personen haben sie kuratiert, kollaborativ und interdisziplinär: Alles darf sich verändern, fluide bleiben, sogar der Titel. Von „Dance with the daemons“ über „All love is spilling over” bis hin zu “I can’t tell if this longing is my own”.

In Wuppertal breitet sich sommerbedingt eine angenehme Ruhe aus, fast wie der von der Künstlerin Fuijko Nakaya inszenierte Nebel in der Nähe von Basel. Viele Menschen sind unterwegs, nah und fern. Sie lassen das gewohnte Umfeld hinter sich, machen Erfahrungen, die sie wieder in den eigenen Alltag zurücktragen. So ging es auch mir, nach einer Radtour beidseitig des Rheins im südlichen Vielländereck: Neben eindringlichen Momenten in der Natur inspiriert mich jene Kunsterfahrung immer wieder aufs Neue.

Mitarbeiter schieben Bilder quer durch die Ausstellungsräume, eine schmale Giacometti-Figur betrachtet ein Gemälde Francis Bacons und gesungene zeitlose Beethovenkompositionen interagieren in der Szenerie „This Joy“ von Künstler Tino Sehgal mit anderen Kunstwerken. Künstlerin Precious Okoyomon präsentiert das Gewächshaus-Ökosystem „the sun eats her children“: Eindrücke einer faszinierenden, nie gleichbleibenden Ausstellung. Selbst die Eintrittspreise ermöglichen gemeinwohlökonomisch kreativ vielseitige Zugänge. Was nachklingt, ist die spielerische Sensibilisierung dafür, wie sehr alles miteinander verknüpft und verwoben ist, aufeinander reagieren und vor allem zu einem gemeinsamen Gestalten ermutigen und einladen kann.

Neuigkeiten aus der (Kultur-)Politik gesellen sich dazu: Ab Anfang August verknüpft NRW Landesförderungen für Kultureinrichtungen mit auferlegten Mindesthonoraren für Künstlerinnen und Künstler. Das Land startet die Maßnahme mit zwei Projekten der kulturellen Bildung, „Kultur und Schule“ und „Künstlerinnen und Künstler in die Kita“, und erhöht deutlich die Stundensätze. Ab 2026 gelten dann Mindesthonorare für alle Projekte mit Landesförderung.

Nordrhein-Westfalen kommt hier eine Vorbildrolle zu, als erstes Bundesland, das die Förderung an Honoraruntergrenzen bindet. Angesichts der prekären Lebenssituation vieler Freier ist das schon lange überfällig. Als Teil des komplexen Organismus wird dies auch Städte, Stiftungen und Kulturorte selbst betreffen. Klare finanzielle Konsequenzen sind daher – wie es auch der Kulturrat NRW erklärt – dringend notwendig, damit das eigentliche Ziel erhalten bleibt, die Lebenssituation der Kulturschaffenden zu verbessern und die kulturelle Vielfalt zu sichern und zu fördern.

Obgleich im Koalitionsvertrag des Landes festgehalten wurde, dass der Kulturetat bis 2027 um 50 Prozent steigen soll, ist er in diesem Jahr gesunken. Weitere Prognosen stimmen wenig zuversichtlich. Dabei sind es doch Kunst und Kultur, die mit ihren wertvollen Expertisen so viel bewirken und beeinflussen. Im Umgang mit all den Herausforderungen unserer Zeit wie Polarisierung, Rechtsruck, Hetze, Klimawandel und Vereinsamung vermögen sie, Resilienz zu fördern und zukunftsweisend zu agieren. Um als kreativer lebendiger Organismus weiter zu gedeihen, braucht unsere Gesellschaft – über Haltung hinaus – konkrete finanzielle Maßnahmen, die den Weg dahin ebnen.

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