Offen gesagt Wuppertals OB Schneidewind kündigt Rückzug an: Warum das verständlich ist

Meinung | Wuppertal · Wuppertals Oberbürgermeister Uwe Schneidewind hat seinen Rückzug angekündigt. Hintergrund ist ein andauernder Clash mit der Realität. Ein Kommentar.

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Foto: Kevin Bertelt

Erst vor vier Wochen hat Wuppertals Oberbürgermeister den WZ-Leserinnen und Lesern tiefe Einblicke in seine Seele gewährt. Den größeren Politikbetrieb hält er für wenig erstrebenswert und toxisch. Das werde lokal nur durch die vielen menschlichen Kontakte aufgewogen. Die Debatte um seine Person in und um Wuppertal analysierte Schneidewind als „polarisierend“, das betrachte er mit „Sorge“. Und: Auch den politischen Mitbewerbern begegnete der Wirtschaftswissenschaftler mit Dienstzimmer im Barmer Rathaus mit viel Misstrauen. Sie wähnt Schneidewind, schon bald ihrerseits Kandidaten ins Kommunalwahlrennen zu schicken, die Schneidewinds Politik-Ansatz zurückdrehen wollten. Das ging so weit, dass sich der OB vorbehielt, doch wieder zu kandidieren, wenn die anderen Parteien Menschen in die erste Reihe stellten, die ihm missfallen würden.

Das alles mag verständlich sein aus seiner Sicht. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Schneidewind selbst wohl nur wenig Chancen gehabt hätte, erneut Oberbürgermeister in Wuppertal zu werden. Und seine Sicht auf die Konkurrenz deswegen auch einigen als Hybris galt. Zu viele in der Stadt sehen in dem 58-Jährigen eben weniger den Mann, der den Transformationsprozess einer darbenden Stadt vor allem mental und inhaltlich in kleinteiliger Führungsarbeit vorbereitet. Sondern sie sehen in Professor Doktor Uwe Schneidewind jenen Mann, der die provinziell-herkömmliche Arbeit eines Oberbürgermeisters mit dauerhafter Präsenz in der Stadt, Einweihungen von Stichstraßen oder Gratulationen zu runden Geburtstagen von beachtlich alten Menschen oder Sportvereinen eher widerwillig verrichtete. Und der bei aller Theorie an den profanen Problemen der Menschen in Wuppertal des öfteren vorbei zirkulierte. „Wo ist Schneidewind?“ in Anlehnung an das Wort des Sportreporters Bruno Moravetz, der einst den verschneiten Langläufer Jochen Behle auf den TV-Bildern suchte („Wo ist Behle?“), war ein gern ausgesprochenes Bonmot in der Stadt. „Der Professor in seinem Elfenbeinturm“ ein anderes.

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Schneidewind kennt sie alle. Und hat damit leidlich und tapfer gelebt. Natürlich in der Erkenntnis, selbst lange gemerkt zu haben, dass der kleinteilige demokratische Prozess mit Abhängigkeiten von Freunden und Feinden wahnsinnig nervig sein kann. Vor allem für einen, der zuvor eine Universität und danach das Wuppertal-Institut geleitet hat. Der Clash mit der Realität – er dauert in Wuppertal seit 2020 an.

Zur Wahrheit gehört auch: Alle grünen Oberbürgermeister, die seinerzeit auch mit der damaligen Kraft der Grünen-Partei ins Amt gespült wurden, haben ihre Probleme: Sibylle Keupen in Aachen, Katja Dörner in Bonn – und auch Schneidewind ging der Rückhalt in der Gesellschaft teils schlicht verloren in ihrem Plan, im Eilschritt eine klimaneutrale Stadt mit grüner Mobilität zu schaffen. Jede Detailentscheidung werde hochmoralisch aufgeladen, schrieb seinerzeit die „Welt“ von den drei grünen OB in NRW. Von diesem zähen Prozess wird Wuppertal dann also bald befreit. Ob die politischen Mitbewerber daraus die richtigen Schlüsse ziehen können, müssen sie ab sofort mit viel Ehrgeiz beweisen.