Qualifikation oder Parteibuch? Wuppertaler Spitzengespräche: Es geht um die Zukunft der Stadt

Wuppertal · Qualifikation oder Parteibuch? Die Personaldebatte hat die Bürger in Wuppertal aufgewühlt – in unserer Interviewreihe wagen Akteure einen Neustart.

„Salus publica suprema lex“ heißt es im Barmer Rathaus: Das öffentliche Wohl ist oberstes Gesetz. Das sieht die Politik nicht immer so.

Foto: Andreas Fischer

Ob dieser Sommer in Wuppertal als der „Sommer der offenen Briefe“ in Erinnerung bleiben wird, bleibt abzuwarten. Dass es aber jüngst eine ganze Reihe solcher Schreiben und Weckrufe gab, in denen Akteure verschiedener Institutionen und aus der Bürgerschaft mitunter harsche Kritik an Politik und Verwaltung der Wuppermetropole üben, ist unbestreitbar. Grund genug also für die Westdeutsche Zeitung, der Diskussion um die Entwicklung der Stadt ein Forum zu bieten und die verschiedenen Stimmen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu Wort kommen zu lassen und in einen konstruktiven Austausch zu bringen. Unter dem Titel „Wuppertaler Spitzengespräche“ hat die WZ wichtige Akteure des Stadtlebens eingeladen (siehe Infokasten) und veröffentlicht die Interviews der vier angesetzten Treffen in den kommenden Wochen – beginnend mit Teil 1.

Die offenen Briefe haben namhafte Unterzeichner

Ein Gipfelpunkt der Verärgerung, der die Verfasser in ihren jeweiligen Briefen Luft verschaffen, schien zuletzt am 13. Juni erreicht, als Alexander Vogel aus Köln in der Ratssitzung in Barmen wider Erwarten nicht zum Dezernenten Personal, Digitalisierung und Wirtschaft gewählt wurde. Einer interfraktionellen Absprache von CDU, SPD und FDP zufolge sollte Vogel als Liberaler auf FDP-Ticket eigentlich problemlos ins Amt gehoben werden. Doch bei der geheimen Wahl wichen offenkundig einige Stadtverordnete von der Linie der eigenen Fraktion ab und stimmten nicht für den Kölner – ein Umstand, der auch Oberbürgermeister Uwe Schneidewind in der Sitzung fassungslos machte, wie er im Nachgang erklärte. Offenbar hatten die Wuppertaler Fraktionschefs der sogenannten Groko plus ihre Fraktionskollegen den Widerwillen in den eigenen Reihen gegen diese Vorgabe bei der Postenvergabe unterschätzt. Wobei die Sachlage noch durch den Umstand kompliziert wurde, dass Vogel vielen als Kandidat gilt, der nicht nur die Parteifarbe, sondern auch die notwendige Qualifikation für den Dezernentenjob mitgebracht hätte.

Mit einem solchen Signal nach außen, dass gute Leute in Wuppertal am parteipolitischen Kalkül scheitern, werde die Suche qualifizierter Bewerber in Zukunft sehr schwierig, wo nicht gar unmöglich, so die viel geäußerte Kritik, die teilweise auch in den offenen Briefen noch einmal deutlich zum Ausdruck kam. Die Namen der Briefeschreiber offenbaren, dass man es mit renommierten Vertretern und Einrichtungen des Wuppertaler Stadtlebens zu tun hat. Die Briefe kamen beispielsweise von den „Wuppertal Botschaftern“ mit den Unterzeichnern Josef Beutelmann, Markus von Blomberg, Anke Düsterloh, Lambert T. Koch, Andreas Martin, Thomas Riedel und Helga Rübsamen-Schaeff. Sie monierten als nicht nachvollziehbar, warum es bei der Vergabe oder dem Zuschnitt so zentraler Stellen „offenbar nicht in erster Linie auf Persönlichkeit, Kompetenz und Erfahrung ankommen sollte, sondern auf die Nähe zu einer bestimmten Partei oder besondere Interessen.“

Die Wirtschaftsförderung
der Stadt ist personell verwaist

Einen appellhaften Brief verfassten auch Peter Vaupel und Peter Jung, die Vorsitzenden des Stadtverbands der Bürger- und Bezirksvereine Wuppertals. „Suchen Sie der Stadt Bestes! Wir hoffen auf die Zukunft“, so ihr Aufruf an die Spitzen in Politik und Verwaltung. Sie schrieben weiter: „Es ist jetzt wichtig, einen Schlussstrich zu ziehen und einen gemeinsamen Neuanfang aller demokratischen Kräfte zum Wohle der Stadt zu beginnen. Dazu gehört eine umfassende Veränderung der Dezernate. Logisch zusammengehörende Einheiten müssen zusammengeführt und die gewählten Führungskräfte müssen sinnvoll eingesetzt werden.“ Auch die Postenvergabe „nach Qualifikation und nicht nach Parteibuch“ mahnten Vaupel und Jung an. Nun sollten wieder das Wohl und die Zukunft der Stadt an vorderster Stelle stehen. „Dazu ist es erforderlich, dass alle an einem Strang in dieselbe Richtung ziehen.“ Werner Foltin vom Freundeskreis ehemaliger Beschäftigter der Stadt Wuppertal beschrieb in seinem offenen Brief die „große Unzufriedenheit der in Wuppertal lebenden Menschen mit ihrer politischen Interessenvertretung im Stadtrat, die er gegeben sieht und zu der er konstatiert: „Sie hat einen weiteren Tiefpunkt erreicht.“

Dazu zählen viele Beobachter auch die Entwicklungen im Personalbereich der Stadtverwaltung, etwa in der Wirtschaftsförderung. Der Trennung von Vorstand Erik Swehla folgt jetzt der Wechsel seines Stellvertreters, Marco Trienes, nach Paderborn. Der für Wirtschaftsförderung zuständige Beigeordnete Arno Minas wurde abgeworben und geht in Kürze nach Münster.

An Themen und Fragen wird es bei den WZ-Spitzengesprächen also nicht mangeln.