Zu wenige Kita-Plätze: „Es wird Klagen der Eltern geben“
Ab dem 1. August haben Eltern das Recht auf einen Betreuungsplatz. Sozialdezernent Stefan Kühn und Cornelia Weidenbruch erklären, wie der Ausbau läuft.
Frau Weidenbruch, Herr Kühn, der 1. August rückt immer näher. Erreichen Sie Ihre angepeilte Quote für U3-Betreuungsplätzen von 35 Prozent?
Kühn: Wir haben nie so eine Quote ausgegeben.
Sondern?
Kühn: Ursprünglich waren für Westdeutschland 32 Prozent geplant. Für West und Ost zusammen 35 Prozent. Die ganzen Zahlenspiele sind aber unwichtig. Wir stellen zum Stichtag 3046 Betreuungsplätze zur Verfügung. Das sind 26,6 Prozent für 0 bis 3-Jährige. Bei den 1 bis 3-Jährigen, für die der Rechtsanspruch gilt, liegen wir bei 39,7 Prozent.
Den Rechtsanspruch erfüllen Sie demnach nicht.
Kühn: Nein, den werden wir wie fast alle westdeutschen Großstädte nicht erfüllen. Keiner weiß, welche Zahl am Ende ausreichen wird. Wenn nur 26 Prozent aller Eltern davon Gebrauch machen, werden wir den Rechtsanspruch erfüllen. Wenn es mehr sind, dann wie gesagt nicht. Weidenbruch: Der Bedarf der Eltern wird wesentlich höher sein. Viele Städte lügen sich in die Tasche, dass sie damit hinkommen.
Viele Eltern gehen also leer aus. Die Stadt Mainz muss jetzt einer klagenden Mutter die private Betreuung bezahlen. Rechnen Sie auch mit einer Klagewelle?
Kühn: Mit einer Klagewelle rechnen wir nicht. In einzelnen Fällen werden wir kein Angebot machen können, daher wird es wohl Klagen geben. Wenn wir verlieren, werden wir Entschädigungen zahlen müssen.
Und das Geld dafür hat die Stadt?
Kühn: Das Geld hat die Stadt nicht, da wir bekanntlich keinen ausgeglichenen Haushalt haben. Insofern schmerzt das ungemein. Das Ausbauprogramm für mehr Plätze liegt dem Rat vor. Weidenbruch: Das hilft aber nicht heute oder morgen. Ob viele der Klagen aber erfolgreich sein werden, ist unklar. Es gibt kein Recht auf einen Kita-Platz. Es gibt auch Instrumente wie Tagespflege.
Was machen Sie denn, wenn Sie nicht genug qualifizierte Tagesmütter bekommen?
Weidenbruch: Wir bauen gerade bei den Tagesmüttern sehr stark aus und müssen da auch weiter machen. Inzwischen haben wir 600 Plätze, die nicht immer alle belegt sind.
Die Schulung dauert ja nicht nur drei Wochen. Wo kommen denn die benötigten Tagesmütter her?
Weidenbruch: Die Schulung, die wir selbst durchführen, dauert ein halbes Jahr. Auch immer mehr Väter machen das. Wir haben bereits sieben Tagesväter.
Zwischen den Stadtteilen gibt es ebenfalls große Unterschiede. Wo sehen Sie den größten Bedarf?
Kühn: Im Osten unserer Stadt, auch wenn wir die Lücke bereits ein Stück schließen konnten.
Woher kommt das Gefälle?
Weidenbruch: Freie Träger sind dort unterrepräsentiert. Zudem ist der Osten sehr dicht bebaut, und daher gibt es weniger Grundstücke. Auch die Kinderzahlen gehen dort nicht so stark zurück.
Von Seiten vieler Eltern gab es Kritik, dass es bei allem Ausbau-Eifer nicht nur Betreuung, sondern auch Kinderbildung geben soll. Teilen Sie die Bedenken?
Weidenbruch: Bei uns findet eine qualifizierte Bildung statt.
Ist die Kritik also unberechtigt?
Weidenbruch: Ich kann die Kritik nicht bestätigen. Das Niveau ist sehr hoch, das bestätigen uns wissenschaftliche Untersuchungen. Wenn wir rechtlich zu einer Überbelegung verpflichtet werden, kann es Veränderungen geben. Da gibt es dann mehr Kinder pro Gruppe.
Wie sorgen Sie dafür, dass die Bildungskomponente nicht zu kurz kommt?
Kühn: Das, was beim Personal gesetzlich vorgeschrieben ist, setzen wir mit viel eigenem Geld um. Wenn noch mehr Erzieher angestellt werden, dann muss es vom Land auch bezahlt werden.
Machen Sie es sich da nicht zu einfach?
Kühn: Nein, natürlich könnten wir freiwillig mehr machen. Das müssten wir aber komplett selbst bezahlen. Da fehlt uns das Geld.
Wie viele Erzieher werden in diesem Jahr noch eingestellt?
Weidenbruch: Wir haben bereits 40 Erzieher eingestellt und suchen noch 15 weitere.