Big Band-Konzert-Format Zusammenspiel von Klang und Video in Wuppertal

Wuppertal · Das Format wurde mit dem „Fuchsthone Orchestra" im Kulturzentrum Immanuel fortgesetzt.

 Das Fuchsthone  Orchestra wurde durch Videoprojektionen bei seinem Konzert unterstützt.

Das Fuchsthone Orchestra wurde durch Videoprojektionen bei seinem Konzert unterstützt.

Foto: Matthi Rosenkranz

Das Kulturzentrum Immanuel will auch ein „Bigband-Zentrum“ werden, leitete Kurator Karl-Heinz Krauskopf in den Konzertabend ein. An großer Geste mangelte es beim „Fuchsthone Orchestra“-Auftritt tatsächlich nicht – so selbstsicher wie überzeugend. Schon die Bigband-Besetzung war etwa mit fünf Saxofonen breit, hinzu trat neben „Elektronika“-Parts vor allem Video als prägendes Element.

Der Name erklärt sich mit den Leiterinnen Christina Fuchs und Caroline Thon, die beide je eine Hälfte des Abends übernahmen. Hieß: Jede hatte ein Langstück komponiert und dirigierte es nun. Ungewöhnlich schon der frische Zugriff bei der Themenwahl – welchem Thema sich jedes Stück widmete und dass es überhaupt eines gab, und zwar durchaus konkret-politisch. Während Fuchs nach der Pause das Meer und dort die Not von Migranten behandelte, verarbeitete Thon zu Beginn ein sehr spezielles Phänomen: „Angsträume“ in heutigen Großstädten.

Am breiten Gesamtansatz hatte mit Claudia Schmitz auch eine Videokünstlerin Anteil – sichtbar also, genauer: unübersehbar. Gerade das Zusammenspiel mit den Musikern war in der Immanuelskirche eine Premiere, und wie Thon vorab ansprach, hatte tastende Interaktion zwischen Ton und Bild die Proben vor Ort geprägt. Groß, ja ausgreifend schien denn auch das Visuelle den Saal zu erobern: Die Collage reihte und taktete modifizierte Fotos; die Künstlerin projizierte sie, warf sie an die Wand – raumgreifend und bis an die oberen Kirchenfenster.

Was nun die Musiker taten, war spannend zu verfolgen – und zwischen den Stücken von Fuchs und Thon recht verschieden. „Above and under water“ der Ersteren schuf im Ganzen eher ein assoziatives Sound-Panorama. Klar davon abgesetzt stachen dann punktuell etwa Bläserpassagen von Trompetern wie Jan Schneider oder Posaunisten wie Philipp Schittek heraus. Das Schlagzeug von Jens Düppe steuerte hier regelrecht „Meer-Geräusche“ bei, zusammen mit den „Samples“ am digitalen Schaltbrett von Eva Pöpplein.

Bei sphärischen Klängen in Fuchs‘ erstem „Satz“, gemäß Titel dem Raum „über dem Wasser“ verschrieben, mochte man gar an Delfine denken – oder womöglich mit Goethe an einen magischen „Gesang der Geister über den Wassern“. Am Ende stand und ertönte die Tiefsee – nicht zuletzt der Gefährdung des Meeres durch menschlichen Eingriff hatte Fuchs ein gewaltiges Denk-, besser: Mahnmal gesetzt.

Anders Caroline Thons Werk „Social Action“ über die bedrohliche Wirkung mancher Stadtplätze und die Aktion von Menschen dort – darin oder auch dagegen. Bläser, Pianistin Laia Genc und andere traten erst wie zu einer Introduktion auf, um sich dann zum durchaus klassischen Bigband-Stil zu fügen. Das kam vital, auch frohgemut daher – vielleicht wie ein Gemälde, das erst einmal wertfrei nur ein Szenario zeigt. Bis in den Sinn kam, dass es ja um Ernstes, nämlich Angst ging. Just dies brachte nun die hier einmal fast „hechelnde“ Stimme von Barbara Barth ins Spiel. Und nun schienen Instrumente wie Bildspur sich dramatisch zu steigern, als braute sich etwas zusammen.

Aufnahmen von Wellen oder von fragmentierten Gebäudefassaden

Zum aufregenden Aufbau der Komposition konnten auch Pausen fast wie bei einem Konzertende treten. Dann wieder folgte ein Solo etwa am Flügel, bloß sacht von Percussion begleitet.

Bei alldem bespielte Schmitz mit ihren Bildern den Saal, je nach Inhalt: Fuchs‘ Meeres-Thematik fand sich manchmal recht konkret in Aufnahmen etwa von Wellen und einem Eisberg wieder; „wellenförmig“ war auch die Abfolge der Fotos gestaltet. Zwar ließe sich auch die Illustration von Thons Angstraum-Stoff mit „fließend“ beschreiben, wie ein Strom kam die oft Häuser zeigende Serie daher. Andererseits schien hier der Umgang um einiges freier: Gebäudefassaden waren fragmentiert und neu zusammen gebracht, wirkten eher als autonome Formen denn als Bebilderung.

Voriges Jahr haben Fuchsthone ihr erstes Album herausgebracht, und vielleicht gibt sein Titel auch für den Abend die beste Kurzcharakterisierung: „Structure and Beauty“ – „Struktur und Schönheit“. Denn schön war das Konzert im Sinne von klangstark und ansehnlich – dabei im Aufbau durch ganz jazz-typische Freiheiten nicht leicht abzuschätzen. In einem wohlkalkulierten Mix aus Mustern und Unerwartbarem schuf hier ein Ensemble ein Gesamterlebnis, das nachhallt.