Intensiv, intim, mitreißend Schöne Bilder statt Tabubrüche beim Neuen Wuppertaler Kunstverein

Wuppertal · Deufert & Plischke präsentieren beim Neuen Kunstverein „Fountains – Körperflüssigkeiten nach Marcel Duchamps“.

Bezaubernde Tanzszenen – zu zweit, zu dritt – ganz nah am Publikum.

Foto: Andreas Fischer

An drei Abenden präsentierte das Künstlerduo Deufert & Plischke im Neuen Kunstverein eine Kombination aus Bild, Film und Performance. In „Fountains – Körperflüssigkeiten nach Marcel Duchamps“ entstanden im hellen Raum an der Hofaue intensive, intime und mitreißende Momente, die fließend ineinander übergingen. Ein Film zeigte in langsamen wunderschönen Bildern das Schwelmebad – einst ein beliebtes Freibad mitten im Grünen, heute ein Lost Place, dem Verfall überlassen. An diesem besonderen Ort, umgeben von Natur, Wasser und bröckelndem Beton, fanden im Juni Dreharbeiten zur Choreografie von Katrin Deufert und Thomas Plischke statt. Andere Filmsequenzen zeigen einen See in Finnland.

In „Fountains“ geht es um Flüssigkeiten – vor allem auch Körperflüssigkeiten – in Anlehnung an Marcel Duchamp, der ein umgedrehtes Urinal zum Kunstwerk erklärte. Sechs Absolventen der Folkwang Universität der Künste tanzen im Film und live im großen Raum des Neuen Kunstvereins. Bezaubernde Tanzszenen, oft auf dem Boden, zu zweit, zu dritt passieren ganz nah am Publikum, das sich durch den Raum bewegt oder auf den wenigen Hockern am Rand sitzt.

Die Akteure tragen die meiste Zeit Masken. Sie werden zu Figuren: „Weil es dann leichter fällt, Tabus lustvoll zu brechen“, hatte Katrin Deufert im Vorgespräch erklärt. Bei Texten wie „Wie läuft’s? Es läuft. Alle Menschen laufen aus“, werden keine Tabus berührt. In wunderschön sanften und ästhetischen Bewegungsabläufen von fünf jungen Tänzerinnen und einem Tänzer sind keine Tabubrüche zu erkennen.

Die Geschichte vom „Frauenfurz“, die der Geschichtenerzähler Dessa Ganda dramatisch und sehr ausführlich erzählt, beeindruckt nicht sonderlich. Dass eine weibliche Figur in eine Holzschale uriniert, dabei fotografiert wird und dann mit dem eigenen Urin herumspielt, bleibt der einzige „Tabubruch“ des laut Ankündigung „interaktiven Geschehens zu Hilflosigkeit, Trotz, Scham und Lust“.

Zuschauen und Wahrnehmen erfordert Geduld. Das Publikum kann kommen und gehen, wann es will. In der sechsteiligen Live-Installation aus Musik, Text und Tanz von jeweils 30 Minuten gibt es immer wieder Längen. Im Film, der ruhige Bilder von Schönheit und Verfall vereint, erzählt Christel Hertelt (87), wie sie 1946 dort im Schwelmebad schwimmen lernte.

Schöne Bilder, Film, Musik und Tanz fließen in Endlosschleife

Im dritten Teil kommt Bewegung ins Spiel: Die Besucher erhalten Kärtchen mit Aufforderungen, folgen diesen, drehen sich, schütteln Hände, legen sich auf den Boden zu einem Tänzer und werden Teil der Choreografie. Alles fließt, Grenzen zwischen Zuschauern und Akteuren werden aufgehoben, spontan entstehen dichte Szenen. Nachdem die Kärtchen „abgearbeitet“ sind, ist ein Teil der Besucher verschwunden. Wenige neue kommen hinzu.

Im Film erzählt eine Figur mit Maske eine Geschichte vom Bombenangriff auf Schwelm. Ergreifend, aber der Bezug zu „Fountains“ erschließt sich eher nicht. Musik und Tanz sind von fließender Leichtigkeit. Die Musik von Deufert & Plischke und Morton Feldmann passt hervorragend. Die Bildbeschreibung zu einer einsamen Figur am Rand des Schwimmbeckens ist wunderschön poetisch, aber endlos lang. Das „Panta Rei“, kraftvoll gesungen und dargestellt von Dessa Ganda, wird zu fast quälender Länge ausgedehnt. Schöne Bilder, Film, Musik und Tanz fließen in Endlosschleife. Auf die erneute Aufforderung zur Interaktion nach Kärtchen reagieren nur noch wenige. Die letzten zehn Minuten werden zum endlosen Showdown, bei dem alle – auch die Akteure – auf dem Boden sitzen und auf den Schluss warten.