Alain Ducasse: Gralshüter der Haute Cuisine

Alain Ducasse ist mit 18 Sternen der höchstdekorierte Koch der Welt – mit deutscher Esskultur hat er nichts am Hut.

Düsseldorf. Eine Frage bringt die Zentrale der französischen Ducasse-Gruppe ins Schwitzen. Die nach der genauen Anzahl der Michelin-Sterne, die sich Alain Ducasse erkocht hat. Die Angaben schwanken zwischen 14 und 16. Nach der letzten Zählung sind es 18. Außerdem brachte der 53-jährige Cuisinier 2005 das Kunststück fertig, als einziger Küchenchef der Welt zeitgleich für drei Restaurants die Höchstwertung der Michelin-Tester einzuheimsen: dreimal drei Sterne.

Zu seinem Imperium gehören 22 Restaurants und vier Gutshöfe, drei Kochschulen, Bäckereien und Hotels, verteilt über die Metropolen der Welt: Paris, London, Tokio und New York. Seit wenigen Wochen schmückt sich auch Düsseldorf mit dem großen Namen. Im Restaurant Lido im Medienhafen kocht Florian Ohlmann (30), ein Schüler des Meisters nach dem System Ducasse.

Und das heißt ohne Wenn und Aber: Französische Haute Cuisine auf höchstem Niveau, ohne Firlefanz und vor allem ohne modisches Chichi wie die Molekularküche der spanischen Küchen-Avantgardisten um Ferran Adrià. Wer im Namen des Monsieur Ducasse kocht, ist austauschbar. "Im Grunde ist es egal, wer kocht", sagt Ducasse. "Fünf Prozent Talent reichen bei einem Koch aus." Der Rest sei Methode: "Beste Zutaten, präzise Zubereitung und die richtige Kombination von Zutaten und Aromen - c’est tout."

Widerspruch duldet Monsieur nicht. Auf die Idee käme wohl auch niemand. Ducasse ist der König der Köche. Er weiß es, er lebt und zelebriert es. Sein auf den ersten Blick sympathisches Wesen konterkariert er mit der demonstrativ zur Schau getragenen Unnahbarkeit des Superstars. Im Gespräch beschäftigt er sich lieber mit seinen zwei Blackberrys als mit seinem Gegenüber. Fragen, die er für überflüssig hält, quittiert er mit gekonnt hochgezogener Augenbraue. Deutsche Esskultur? "Sie fragen den Falschen, davon habe ich keine Kenntnis." Man darf ihm keine Ignoranz unterstellen, wohl eher französischen Küchen-Chauvinismus.

Er gilt als introvertiert bis zur Verstocktheit, gibt ungern Interviews und mag keine Fotografen. Zwei Assistenten begleiten ihn bei den regelmäßigem Inspektionsreisen zu seinen Restaurants - und halten ihm allzu aufdringliche Bewunderer vom Hals.

Davon hat er viele. Beim Diner, das am Donnerstagabend im Lido zu seinen Ehren gegeben wurde, sagte sogar Bernard de Montferrand, der französische Botschafter in Deutschland, Bonsoir. Solche Veranstaltungen sind eher eine lästige Notwendigkeit für Ducasse, der seit 2008 Staatsbürger von Monaco ist.

Mit seinem Schüler Ohlmann geht Ducasse erstaunlich kollegial um. Dennoch kommt kein Zweifel auf, dass der junge Mann aus Bremen unter Beobachtung und gehörigem Druck steht. "Im Lido können wir gut mit einem Stern leben, aber auch ohne", sagt Monsieur Ducasse. Um im nächsten Atemzug seine Behauptung ad absurdum zu führen. "Florian muss jetzt den Beweis liefern, dass er mein Vertrauen verdient. Ich will kurzfristig überrascht werden." Sagt’s und schaut ein bisschen gelangweilt aufs trübe Wasser des Medienhafens.